Viele Menschen bevorzugen einen Wohnsitz außerhalb von Deutschland. Viele kommen aus einem anderen Land nach Deutschland. Doch wie wirkt sich dies auf den zukünftigen Erbfall aus und was gibt es für Möglichkeiten?
I. Erbfall innerhalb der Europäischen Union
1. Anzuwendendes Recht
Grundsätzlich unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Art 21 EuErbVO.
Der letzte gewöhnliche Aufenthalt muss jedoch nicht zwingend der Wohnsitz sein. Unter dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt ist der tatsächliche Lebensmittelpunkt einer natürlichen Person zu verstehen, der mittels einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes, insbesondere im Hinblick auf die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe festzustellen ist, vgl. OLG München, Beschluss v. 9.2.2023 – 33 UH 4/23. Zudem sollte eine besonders enge und feste Bindung zu dem Staat erkennbar sein. Der Lebensmittelpunkt in familiärer und sozialer Hinsicht, die Sprachkenntnisse und die Lage des Vermögens sollte Berücksichtigung finden, vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2020 – 3 Wx 138/20. Die Willensrichtung des Erblassers muss im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung zwar Berücksichtigung finden, sie ist jedoch nicht geeignet, den gewöhnlichen Aufenthalt entgegen der objektiven Gestaltung der Lebensverhältnisse zu begründen (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 17.12.2019 – 15 W 488/17).
Dass es nicht entscheidend auf den Wohnsitz des Erblassers ankommt, sondern eine Gesamtbetrachtung des Falles erforderlich ist, folgt aus Art 21 Abs. 2 EUErbVO. Ergibt sich gem. § 21 Abs. 2 EUErbVO ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtliche engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat hatte, dessen Recht nach Art 21 Abs. 1 EUErbVO anzuwenden wäre, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.
Wohnte der Erblasser im Rentenalter in Portugal, muss nicht zwingend portugiesisches Erbrecht zur Anwendung kommen.
Dies sah auch das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2020 – 3 Wx 138/20) im Jahr 2020 bei einem auf Gran Canaria lebenden und gestorbenen Erblassers so.
Der Erblasser verkaufte sein Haus in Deutschland und zog mit seinem Lebenspartner im Rentenalter im Dezember 2015 in eine ebenfalls in seinem Eigentum stehende Immobilie nach Gran Canaria. Bei der Immobilie handelte es sich um einen Bungalow in einer Bungalowanlage. An vier Tagen im Jahr 2016 erwarb er weitere Objekte in der Bungalowanlage. Daraufhin zog er mehrfach mit seinem Lebensgefährten innerhalb der Bungalowanlage um. An einem der erworbenen Bungalows räumte der Erblasser seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten ein Wohnrecht ein. Die anderen übrig gebliebenen Bungalows vermietete der Erblasser.
Der Erblasser hielt sich wiederholt in Deutschland auf und wohnte zu dieser Zeit in einer von einer Bekannten gemieteten 2-Zimmer-Wohnung. In dieser Wohnung befand sich ein Teil seiner Möbel. Im Keller des Hauses lagerte der Erblasser Geschäftsakten und Fotos. Gemeldet war er seit dem 01.03.2016 unter der Wohnanschrift seiner Mutter in Deutschland.
Der Erblasser ließ sich in Deutschland ärztlich behandeln und war auch in Deutschland krankenversichert. Während seiner Aufenthalte in Deutschland traf er sich regelmäßig mit Freunden und den Familienangehörigen seines Lebensgefährten; auch war er in den Jahren 2016 und 2017 ehrenamtlich für einen Bürgerverein in Deutschland. tätig. Steuerpflichtig war der Erblasser in Deutschland; die Mieteinnahmen aus den spanischen Immobilien versteuerte er in Spanien. Bankkonten hatte er bei zwei Banken an seinem Meldesitz in Deutschland, bei der Frankfurter Filiale einer niederländischen Bank und ein Konto bei der D. Bank auf Gran Canaria für die Abwicklung der Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit den Immobilien auf Gran Canaria. In Spanien hatte der Erblasser keine Meldeadresse. Die spanische Sprache beherrschte er nicht; an einem Sprachkurs nahm er insgesamt fünfmal teil. Der Erblasser verstarb auf Gran Canaria im Jahr 2017.
Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 20.11.2020 – 3 Wx 138/20) ordnete den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers unter folgenden Erwägungen Deutschland zu:
Mehr als bloße Zweifel an der internationalen Zuständigkeit bestehen keinesfalls. Vorliegend spricht vielmehr eine weit überwiegende Gesamtheit von Umständen dafür, dass der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt im vorstehend dargestellten Sinne noch in Deutschland hatte, obwohl er sich bis zu seinem Tod überwiegend – so die Feststellungen des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss – in Spanien aufgehalten hatte. Die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss ausführlich dargestellt und überzeugend gewürdigt, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Ergänzend merkt der Senat an, dass auch der Umstand einer Anmietung einer Wohnung in Dü. … die Verbundenheit des Erblassers mit Deutschland und seine trotz seiner Aufenthalte in Spanien unverändert bestehen gebliebene Eingliederung in Deutschland bekräftigt. Der Erblasser wollte sich auf diese Weise die Möglichkeit offenhalten, jederzeit nach Deutschland als seinem Heimatland zu reisen, um sich dann in einer eigenen privaten Umgebung aufhalten zu können. Das unterscheidet ihn deutlich von einem Auswanderer, der Deutschland besucht und sich als ein Gast in einem Hotel zu vorab festgelegten Zeitpunkten – dies mit deutlich höherem Kostenaufwand – oder als Gast von Bekannten oder Familienangehörigen in Deutschland aufhält.
Offenbleiben kann, ob der Erblasser entsprechend des Vortrages der Mutter und seiner Geschwister gegenüber ihrem Verfahrensbevollmächtigten vor dem Umzug nach Spanien erklärt hat, er würde Deutschland endgültig verlassen. Denn die weiteren unstreitigen Umstände zeigen, dass der Erblasser ein entsprechendes Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt hat. So hatte er weiterhin seine Meldeadresse – möglicherweise entgegen der mit der Beteiligten zu 1 getroffenen Absprache – in Du. und gerade davon abgesehen, seinen Wohnsitz offiziell in Spanien anzumelden. Hinzu kommen seine Aufenthalte in Deutschland insbesondere auch zur Pflege seiner sozialen Kontakte und zur Fortsetzung seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Bürgerverein Du. Das lässt sich nicht in Einklang mit einem als endgültig gewollten Verlassen bringen. Schließlich hat der Lebensgefährte des Erblassers schon erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass der Erblasser und er bereits zu Lebzeiten des Erblassers Ausschau nach einer größeren Wohnung in Deutschland gehalten hätten.
Dahin gestellt bleiben können schließlich auch die Motive und Hintergründe für den Umzug der Mutter nach Gran Canaria. Sollte der Umzug auf das Betreiben des Erblassers hin geschehen sein, belegt das allein die Verbundenheit des Erblassers mit seiner Mutter und nicht seine Integration in Spanien.
Allerdings bleiben Unsicherheiten hinsichtlich des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes bestehen, kommt es doch auf eine Abwägung und eine Bewertung der einzelnen Kriterien an.
Das OLG Hamm (OLG Hamm, Beschluss v. 17.12.2019 – 15 W 488/17) ordnete dem Erblasser den letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien zu. Dies begründete es unter folgenden Erwägungen:
In Anwendung der Grundsätze zum letzten gewöhnlichen Aufenthalt würdigt der Senat den vorliegenden Sachverhalt dahingehend, dass der Erblasser (E) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hatte. Dabei verkennt der Senat im Ausgangspunkt nicht, dass E kaum in die spanische Gesellschaft integriert war und zwar wohl auch, weil er der spanischen Sprache nicht mächtig war. Ersteres gilt jedoch entsprechend für die deutsche Gesellschaft. Während seiner Aufenthalte in Deutschland hat er nämlich nach dem Inhalt der mündlichen Verhandlung außerhalb seiner Familie, des Umfelds seines Sohnes und seiner Religion ebenfalls keine nennenswerten sozialen Kontakte gepflegt. Insgesamt ergibt sich für den Senat das Bild eines Menschen, der wenig Wert auf soziale Kontakte legte und sein Leben nach seinen Vorstellungen gestalten wollte. Hinzu kommt, dass E familiäre Kontakte in Form von Besuchen auch in Spanien pflegte, wenn auch weit geringerem Umfang, und er auch in Spanien regelmäßig an religiösen Versammlungen teilnahm, aus denen sich auch gesellige Kontakte ergaben.
Für eine engere Bindung an Deutschland spricht vordergründig noch, dass E jedenfalls zuletzt Bankenkonten nur noch bei in Deutschland ansässigen Geldinstituten unterhielt. Andererseits war jedoch, legt man die Angaben der B 1 zugrunde, ein ganz wesentlicher Vermögensgegenstand, nämlich der hälftige Anteil an der Immobilie, in Spanien belegen.
Vor diesem ambivalenten Hintergrund kommt der tatsächlichen Aufenthaltsdauer entscheidendes Gewicht zu. Hier erschließt sich aus den Kreditkartenübersichten, dass sich E in den letzten Jahren vor seinem Ableben ganz überwiegend in Spanien aufgehalten hat. In den Jahren 2012 und 2013 lassen sich nur etwa 4,5 Wochen ausmachen, in welchen er sich in Deutschland aufgehalten hat. In 2014 hat er sich bis Anfang November lediglich für 2 Wochen in Deutschland aufgehalten. Im November und Dezember 2014 sowie Januar 2015 war er hingegen in Deutschland, wobei in diese Zeit die Diagnose und erste operative Behandlung seiner Tumorerkrankung fielen. Im Rest des Jahres 2015 wurden mehrmonatige Aufenthalte in Spanien durch einen etwa ein-, einen anderthalb- und einen etwa zweimonatigen Aufenthalt in Deutschland unterbrochen, die allerdings jeweils mit stationären Behandlungen korrespondieren. In 2016 wechselten sich längere Aufenthalte in Deutschland, die jedenfalls teilweise mit stationären Behandlungen einhergingen, mit solchen in Spanien ab, bevor sich E im Oktober 2016 nach Spanien zurückbringen ließ, wo er am …4.2017 verstarb.
Bei dieser Sachlage ist es nicht zweifelhaft, dass E, mag er vielleicht auch auf eine letzte Therapiechance gehofft haben, sich entschieden hatte, den Rest seines Lebens in Spanien zu verbringen. Hiermit korrespondiert der Inhalt des Ambulanzbriefs der Uniklinik Münster vom …2016. Nach diesem wollte E, nach Aufklärung über seine Situation klären, ob „an seinem Wohnort in Spanien“ eine Palliativbehandlung möglich sei. Weiter korrespondiert mit dieser Sichtweise die Gestaltung der Wohnverhältnisse in Spanien einerseits und Deutschland andererseits. Letztere waren als eher provisorisch anzusehen: E stand zusammen mit B 1 in der Souterrain-Wohnung des B 3 ein Schlafzimmer mit Nasszelle zur Verfügung; zudem konnte er Räume in der Wohnung des B 3 mitbenutzen. Demgegenüber stand E und B 1 in Spanien ein Haus von 150 qm mit 6 Zimmern zur Verfügung.
Angesichts dieser objektiven Sachlage kommt der Willensrichtung des E keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Es mag zutreffen, dass er sich in Bezug auf Spanien als Tourist betrachtete und, aus welchen Gründen auch immer, den Residentenstatus in Spanien vermeiden wollte. Angesichts der Zeiten seines Aufenthalts in Spanien bestand sein Leben dann aber überwiegend aus „Urlaub“, was angesichts seines Ruhestands auch nicht verwundert.
Um Rechtssicherheit zu schaffen, kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates gewählt werden, dem der Testierende im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört, Art 22 EUErbVO.
Die Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Für die Formvorschriften der Niederschrift kommt es auf die gesetzlichen Regelungen des Landes der getroffenen Rechtswahl an.
Die Rechtswahl kann jederzeit ebenfalls durch eine wirksam errichtete Verfügung von Todes wegen widerrufen oder geändert werden, Art 22 Abs. 4 EUErbVO.
2. Verfügung von Todes wegen
Eine Verfügung von Todes wegen kann mittels eines Testaments oder eines Erbvertrages errichtet werden.
a. Verfügung von Todes wegen außer Erbvertrag
Die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen mit Ausnahme eines Erbvertrages unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn die Person, die die Verfügung errichtet hat, zu diesem Zeitpunkt verstorben wäre, Art. 24 Abs. 1 EuErbVO. Das bedeutet, das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes.
Sollte eine Rechtswahl nach Art 22 EuErbVO getroffen worden sein, so kann auch die formelle und materielle Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen nach den Vorschriften des Landes zugunsten dessen die Rechtswahl getroffen wurde, gewählt werden, Art 24 Abs. 2 EuErbVO.
b. Erbvertrag
Die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrages, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn diese Person zu dem Zeitpunkt verstorben wäre, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde, Art. 25 Abs. 1 EuErbVO.
Ein Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, ist nur zulässig, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wäre, wenn sie zu diesem zeitpunkt verstorben wären, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde. Das bedeutet, dass wenn der Eine seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, der Andere aber in Spanien, so müssen die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrages sowohl hinsichtlich des deutschen Rechts als auch hinsichtlich des spanischen Rechts erfüllt sein.
II. Erbfall außerhalb der europäischen Union
Grundsätzlich unterliegt nach Art 21 EuErbVO die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Liegt dieser Staat jedoch außerhalb der EU, verkompliziert sich der Sachverhalt.
Außerhalb der EU können Staaten bezüglich des gesamten Nachlasses das Recht der Staatsangehörigkeit anwenden, derer der Erblasser angehörte, die beweglichen Gegenstände dem Recht des letzten Wohnsitzes unterstellen und/oder hinsichtlich Immobilien das Recht des Staates anwenden, auf dem die Immobilie steht.
Verweist ein Land außerhalb der EU auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers und variiert diese zum letzten gewöhnlichen Aufenthalt, kann es zu erheblichen Problemen kommen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Erblasser die marokkanische Staatsangehörigkeit hat, aber seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. In diesem Fall ist dringend zu raten, eine Verfügung von Todes wegen mit einer entsprechenden Rechtswahl zu errichten. Länder, die auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers verweisen sind u.a.: Ägypten, Algerien, Indonesien, Irak, Japan, Kuba, Kuwait, Libanon, Marokko, National-China, Phillippinen, Senegal, Südkorea, Syrien, Türkei, Tunesien, Vatikan.
Verweist ein Land außerhalb der EU auf den Wohnsitz für bewegliches Vermögen und Belegenheit für unbewegliches Vermögen kann es ebenfalls zu Abweichungen kommen. Auch in diesem Fall ist zu empfehlen, dringend eine Rechtswahl mittels einer Verfügung von Todes wegen zu treffen. Folgende Länder fallen u.a. unter diesen Fall: Argentinien, Australien, Burma, Großbritannien, Irland, Monaco, Neuseeland, Pakistan, Südafrika, Thailand, USA, Weißrussland.
Gerne können wir Sie zu Themen des internationalen Erbrechts sowie zu sonstigen Erbrechtsthemen in unserer Kanzlei in Ness beraten.