Pflichtteil bei Immobilie im Nachlass

Befindet sich eine Immobilie im Nachlass, ist ihr Wert bei der Pflichtteilsberechnung einzubeziehen. Es kommt auf den Marktwert zum Stichtag Todestag an. Diesen Wert muss der Erbe auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten durch einen Sachverständigen ermitteln lassen, auf Kosten des Nachlasses.

Als Pflichtteilsberechtigter haben Sie Anspruch auf einen Geldbetrag in Höhe der Pflichtteilsquote des Reinnachlasses. Zum Nachlass zählen auch Immobilien, die zum Todestag im Eigentum des Erblassers standen. Hat der Erblasser Immobilien kurz vor seinem Tod verschenkt oder stark verbilligt verkauft, kommen Pflichtteilsergänzungsansprüche in Betracht.

Maßgeblich für die Pflichtteilsberechnung ist der Wert der Immobilie zum Stichtag Todestag. Es kommt also darauf an, welchen Verkaufserlös der Erblasser erzielt hätte, wenn er die Immobilie zu dieser Zeit verkauft hätte. Wird die Immobilie tatsächlich innerhalb von drei Jahren nach dem Todestag an einen fremden Dritten verkauft, geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Wert zum Todestag dem Verkaufserlös entspricht (BGH, NJW-RR 1991, 900; NJW-RR 1993, 834; OLG Düsseldorf, ZEV 1994, 361, 362). Anders kann es sein, wenn die Immobilie zwischen dem Todestag und dem Verkauf noch erhebliche Änderungen erfahren hat, z.B. durch Renovierungen, Umbauten und Sanierungen, wenn beim Verkauf unter Bekannten oder Verwandten ein „Freundschaftspreis“ vereinbart wurde, wenn zwischen dem Todestag und dem Verkauf ein längerer Zeitraum liegt.

Im Zweifel können Sie als Pflichtteilsberechtigter auf Ihren Anspruch auf Wertermittlung zurück greifen: Der Erbe ist auf Ihr Verlangen hin verpflichtet, den Wert der Immobilie durch das Gutachten eines Sachverständigen ermitteln zu lassen. Die Kosten muss der Erbe aus dem Nachlass bezahlen.

Häufig gehören Erblassern nur Miteigentumsanteile. Beispielsweise ist verbreitet, dass eine Immobilie Eheleuten zu je 1/2 Miteigentumsanteilen gehört – jedem zur Hälfte. Stirbt nun ein Ehegatte und wird der andere Ehegatte Alleinerbe, wie beim sogenannten Berliner Testament üblich, so fällt nur der hälftige Miteigentumsanteil des Verstorbenen in den Nachlass. Dieser Anteil kann in einer solchen Konstellation mit 1/2 des Wertes der gesamten Immobilie bewertet werden. Dies hat der BGH mit Urteil vom 13. Mai 2015 – IV ZR 138/14 – bestätigt:

„a) In der Literatur wird – worauf auch das Berufungsgericht hingewiesen hat – ganz überwiegend vertreten, dass dann, wenn ein halber Miteigentumsanteil einer vom anderen Miteigentümer eigengenutzten Immobilie in den Nachlass fällt, die Verkehrswertbestimmung des hälftigen Miteigentumsanteils besondere Schwierigkeiten bereite und es in aller Regel unzulässig sei, den halben Verkehrswert des Grundstücks samt Gebäude anzusetzen, da die Chance, diesen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu veräußern, sehr gering sei. Es sei daher ein deutlicher Abschlag vorzunehmen (Schopp, ZMR 1994, 552; Staudinger/Haas, BGB [2006] § 2311 Rn. 79; Staudinger/Herzog, [2015] § 2311 Rn. 118; J. Mayer in Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar BGB Stand: 1.02.15 § 2311 Rn. 20; Riedel in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht 3. Aufl. § 5 Rn. 154; Riedel in Damrau/Tanck, Praxiskommentar Erbrecht 3. Aufl. § 2311 Rn. 129; Rösler in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 2. Aufl. C VI Rn. 88; Horn in Scherer, Anwaltshandbuch Erbrecht 4. Aufl. § 46 Rn. 91; und so auch AG Andernach, FamRZ 2008, 190, 192).

b) Demgegenüber vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, dass der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils jedenfalls dann dem hälftigen Wert der Immobilie insgesamt entspreche, wenn der bisherige Eigentümer der einen ideellen Hälfte mit dem Erbfall auch die andere Hälfte des Eigentums erlangt (so bereits mit Urteil vom 12. Oktober 1999, SchlHA 2000, 175, 176; ähnlich auch BFH, Beschluss vom 2. Juli 2008 – II B 46/07, juris Rn. 12 f.; vgl. auch Bißmaier in einer Anmerkung zu Schopp (s.o.), nach dem es sich um eine Frage der Beweislast handele, ZMR 1995, 106, 107).

Die Ansicht des Berufungsgerichts trifft zu. Eine Verwertung des Miteigentums an einer Immobilie ist mit dem Erbfall bei dieser Sachlage problemlos möglich und es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, einen Abschlag vorzunehmen. Das Berufungsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass anderenfalls dem Erben zwar im Moment des Erbfalles der volle Wert der ideellen Miteigentumshälfte im Sinne des hälftigen Verkehrswerts zufließt, weil er nun als Alleineigentümer den vollen Verkehrswert realisieren kann, der Pflichtteilsberechtigte aber nichts oder jedenfalls deutlich weniger als den seinem Pflichtteil entsprechenden Anteil am hälftigen Verkehrswert der Immobilie erhielte. Entgegen der Revision ist auch nicht etwa ein deutlicher Abschlag vorzunehmen, weil nur ein Miteigentumsanteil zum Nachlass gehört und deshalb nur darauf abzustellen ist, zu welchem Preis dieser im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin hätte verkauft werden können, sondern für eine sachgerechte Bewertung des Pflichtteilsanspruchs an dem hälftigen Miteigentumsanteil der Erblasserin ist bei Alleineigentum des Erben im Zeitpunkt des Erbfalles auf den hälftigen Wert der Gesamtimmobilie abzustellen. Ein Abschlag vom hälftigen Wert ist – entgegen der Ansicht der Revision – auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Erbe zur Befriedigung des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten gezwungen sein könnte, die gesamte Immobilie zu verkaufen. Dies ist ein regelmäßig mit Erbschaften verbundenes Risiko. Soweit der Sachverständige schließlich der Ansicht war, die Hälfte des Verkehrswerts der Immobilie sei nur schwer zu erlangen, ihm seien Werte von Verkäufen von Bruchteilen nicht bekannt, hat er nicht berücksichtigt, dass der Beklagte mit dem Erbfall Alleineigentümer des Einfamilienhauses geworden ist.“

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