Notarielles Nachlassverzeichnis – Ermessen des Notars

Der Pflichtteilsberechtigte hat gem. § 2314 Abs. 1, S. 1 u. 3 BGB einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses.

Die Kosten, die durch die Beauftragung des Notars entstehen, fallen als Nachlassverbindlichkeiten dem Nachlass zur Last. Der Erbe ist verpflichtet einen Notar aufzusuchen und dafür zu sorgen, dass dieser zeitnah ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellt. Der Pflichtteilsberechtigte hat dagegen kein Recht, selbst einen Notar zu beauftragen. Ebenso wenig hat der Pflichtteilsberechtigte ein Recht auf Belegvorlage. Allenfalls kann er sein Recht auf Hinzuziehung bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses gelten machen, § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB.

Der Notar ist verpflichtet, den Nachlassbestand selbst und eigenständig zu ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck zu bringen, dass er für dessen Inhalt verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 02.11.1960 – V ZR 124/59; BGH Urteil vom 13.09.2018 – I ZR 109/17). Allerdings ist der Notar in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei.

Der Notar ist grundsätzlich auf die Mitwirkung des Erben angewiesen. Um selbst Ermittlungen vornehmen zu können, benötigt der Notar zunächst die lückenlose Auskunft des Erben über den Nachlassbestand. Hierfür erhält der Erbe zumeist einen Fragenkatalog, den er wahrheitsgemäß zu beantworten hat. Der Notar kann den Erben auffordern, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Dritten (z.B. Geldinstituten) durchzusetzen (BGH, NJW 2020, 2187 Rn. 9) und diese dem Notar zur Verfügung zu Stellen. Er darf sich nicht auf die Angaben des Erben beschränken, sondern hat diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde (BGH, NJW 2019, 231). Der Notar ist jedoch nicht verpflichtet, in sämtliche Richtungen zu ermitteln und den Nachlassbestand zu erforschen, ohne dass ihm hierfür konkrete Anhaltspunkte vorliegen.

Der BGH hat dies jüngst bestätigt (BGH, Beschluss vom 07. 03.2024 – I ZB 40/23):

„Der Notar, der vom Erben mit der Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses beauftragt worden ist, entscheidet nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen, welche Ermittlungen er vornimmt und welcher Erkenntnisquellen er sich bedient. Die Anforderungen an den Umfang der Ermittlungen richten sich nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls und orientieren sich daran, welche Nachforschungen ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Der Notar ist dagegen nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren.“

„Anhaltspunkte für solche Nachforschungen können sich beispielsweise aus Angaben des Erben oder anderer befragter Personen und aus im Nachlass befindlichen Unterlagen – beispielsweise Überweisungen von bekannten Konten des Erblassers auf bislang unbekannte Konten – sowie aus ausländischen Nachlassverfahren ergeben.“

Einen Anspruch auf Ergänzung des notariellen Nachlassverzeichnisses hat der Pflichtteilsberechtigte nur dann, wenn das Verzeichnis nicht den formellen Anforderungen entspricht. Dies ist nach der BGH Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 20.03.2020 – IV ZR 193/19) dann der Fall, wenn
• sich der Notar auf die Wiedergabe der Beurkundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt,
• die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat,
• wenn in dem Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen nicht aufgeführt ist oder
• wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen.

Der Notar ist darüber hinaus frei, wie viele Termine er zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses anberaumt. Hat er nur einen Termin bestimmt, in dem er den Erben vor dem Pflichtteilsberechtigten, der sein Recht auf Zuziehung geltend gemacht hat, befragt, so ist das Nachlassverzeichnis nicht allein deswegen unzureichend. Bei einer vorab erfolgten Belehrung über seine Mitwirkungs- und Auskunftsverpflichtungen wäre eine erneute Anwesenheitspflicht bloße Förmelei. Auch wenn der Auskunftsberechtigte bei der Erstellung des Verzeichnisses ebenfalls nicht anwesend war, ist das Verzeichnis nicht unzureichend, da das Anwesenheitsrecht des Auskunftsberechtigten insbesondere den Zweck hat, dem Berechtigten bei der ersten Erfassung des Nachlasses einen Überblick zu verschaffen und ihm darüber hinaus eine Kontrolle und Mitwirkung zu ermöglichen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.09,2015 – 3 W 89/15).

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