Nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) fallen Stiefkinder unter die besonders günstige Steuerklasse I. Ihnen kommt ein persönlicher Freibetrag von 400.000,00 Euro und ein niedriger Erbschaftsteuersatz von anfänglich 7 % für darüber hinaus gehende Werte zugute.
Doch was geschieht, wenn die Ehe des Erblassers mit dem Elternteil des Kindes geschieden wird?
Verlöre das Stiefkind in einem solchen Fall seinen Status, fiele es zurück in die Erbschaftsteuerklasse III mit einem persönlichen Freibetrag von nur noch 20.000,00 Euro und einem Steuersatz von anfänglich 30 % für darüber hinaus gehende Werte.
In der Fachliteratur wird überwiegend angenommen: Der erbschaftsteuerliche Status als Stiefkind bleibt trotz Scheidung erhalten.
„Nach dem ErbStG werden Stiefkinder des Erblassers/Schenkers wie leibliche Kinder behandelt. […] Nach § 1590 Abs. 2 BGB geht diese Verschwägerung aber nicht wieder unter, wenn die Ehe mit dem Stiefelternteil aufgelöst wird (sei es durch Tod oder Scheidung). Im Erbschaftsteuerrecht ist es nach der Rechtsprechung entsprechend den für die Erbschaftsteuerbelastung maßgebenden (vom Gesetzgeber unterstellten) Beziehungen unerheblich, ob die Ehe zur Zeit des Erwerbsvorganges noch besteht oder infolge Tod oder Scheidung beendet ist. Dementsprechend hat es der BFH als unschädlich angesehen, dass bei dem Eintritt des Erbfalles der Ehepartner, von dem das erbende Stiefkind abstammte, schon vorher gestorben war.“ (Raymond Halaczinsky in: Daragan et al., Praxiskommentar ErbStG und BewG, 4. Aufl. 2023, § 15 Rn. 5)
„Zivilrechtlich sind Stiefkinder mit dem Ehegatten verschwägert (§ 1590 BGB). Auch nach Beendigung der Ehe, welche die Schwägerschaft begründet hat (durch Tod, Scheidung oder Aufhebung), dauert die Schwägerschaft an (§ 1590 Abs. 2 BGB), so dass auch das Stiefkindschaftsverhältnis erhalten bleibt (kritisch Meincke/Hannes/Holtz, 17. Aufl. 2018, § 15 ErbStG Rz. 7; dafür Halaczinsky, ZErb 2004, 149).“ (Götz in: ErbStG – eKommentar, Fassung vom 02.01.2020, Rn. 49)
„Stiefkinder gehören ebenfalls zur Steuerklasse I. Dabei handelt es sich bei Ehegatten um Kinder des anderen Ehegatten. Das Gleiche wird nach der ErbStReform 2008/2009 auch bei Kindern des anderen Lebenspartners anerkannt, § 9 Abs. 7 LPartG. Das Stiefkindverhältnis wird nicht durch die Aufhebung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft beendet, § 1590 Abs. 2 BGB. Diese zivilrechtliche Regelung gilt auch für das Erbschaftsteuerrecht.“ (Tiedtke/Wälzholz in: Tiedtke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 1. Aufl. 2009, § 15 Rn. 9)
Eine Alternative ist, das Stiefkind als eigenes Kind anzunehmen (Adoption). Nach § 1767 Abs. 1 BGB kann auch eine volljährige Person als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Dies gilt insbesondere, wenn zwischen dem Annehmenden und der Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist.