Beschränkung der Testierfreiheit durch Ehegattentestament

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat am 30. April 1993 (Az.: 2 Wx 58/92) eine grundlegende Entscheidung zur Beschränkung der Testierfreiheit durch wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament (Ehegattentestament) getroffen. Diese Entscheidung behandelt die Auslegung und die Bindungswirkung solcher Testamente und bietet wichtige Erkenntnisse für Ehepaare, die ihre Erbfolge regeln möchten.

Hintergrund des Falls

Der Fall betrifft den Nachlass eines Ehepaars, das in einem gemeinschaftlichen Testament vom 27. Juni 1951 einander zu Alleinerben einsetzte und ihre gemeinsamen Kinder als Schlusserben bestimmte. Ein Zusatz vom 29. August 1957 legte fest, dass ein Kind, das nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, auch nach dem Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll.

Nach dem Tod des Ehemannes am 16. April 1979 errichtete die Erblasserin ein neues notarielles Testament am 4. Februar 1981, das zugunsten der Kinder ihres Sohnes Vermächtnisse enthielt. Am 23. April 1985 errichtete sie ein weiteres Testament, in dem sie ihren Sohn als Alleinerben und ihren anderen Sohn lediglich mit einem Vermächtnis bedachte. Nach dem Tod der Erblasserin am 22. Oktober 1990 beantragte der Sohn, der als Alleinerbe eingesetzt worden war, die Erteilung eines Erbscheins. Die Gerichte der ersten beiden Instanzen wiesen diesen Antrag zurück.

Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das OLG Köln bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen, dass die Erblasserin in ihrer Testierfreiheit beschränkt war. Die wesentlichen Punkte der Entscheidung umfassen:

Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung

  1. Bindende Wirkung des Testaments von 1951: Das Gericht stellte fest, dass die Einsetzung der Kinder als Schlusserben im Testament von 1951 wechselbezüglich war. Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind Verfügungen von Todes wegen in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre.
  2. Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB: Da das Testament von 1951 als einheitliches Dokument angesehen wurde, griff die gesetzliche Auslegungsregel, die eine Wechselbezüglichkeit annimmt, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen.
  3. Unwirksamkeit späterer Testamente: Die späteren Testamente der Erblasserin aus den Jahren 1981 und 1985 waren insoweit unwirksam, als sie die wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung der Kinder im Testament von 1951 änderten. Die Erblasserin konnte die Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod ihres Ehemannes nicht mehr widerrufen.

Auswirkungen auf die Testierfreiheit

  • Bindung an das gemeinschaftliche Testament: Die Entscheidung verdeutlicht, dass Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichten, sich der Bindungswirkung ihrer Verfügungen bewusst sein müssen. Einseitige Änderungen nach dem Tod des Erstversterbenden sind nur im Rahmen der vereinbarten Regelungen möglich.
  • Vorsicht bei Zusatzverfügungen: Zusätze in Testamenten, die an Bedingungen wie das Verlangen des Pflichtteils geknüpft sind, können die Testierfreiheit weiter einschränken und sollten sorgfältig formuliert werden.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Köln unterstreicht die Bedeutung der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente und der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen. Für Ehepaare, die ihre Erbfolge regeln möchten, ist es entscheidend, sich über die rechtlichen Konsequenzen ihrer testamentarischen Verfügungen im Klaren zu sein. Bei der Errichtung eines Ehegattentestaments sollten die Testierenden sorgfältig prüfen, ob und in welchem Umfang sie sich gegenseitig binden möchten.

Bei Fragen zur Testamentsgestaltung und zur Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen steht Ihnen unsere Kanzlei mit ihrer Expertise im Erbrecht gerne zur Verfügung.

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