Beeinträchtigende Schenkung an Miterben

Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken hat am 22. Juni 2022 (Az.: 5 U 98/21) eine bedeutende Entscheidung zur Frage der Beeinträchtigung von Erbrechten durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers an Miterben getroffen. Diese Entscheidung beleuchtet die rechtlichen Grenzen von Schenkungen, die die Erbrechte anderer Miterben beeinträchtigen könnten, und die Möglichkeit der Rückforderung solcher Schenkungen nach § 2287 BGB.

Hintergrund des Falls

Der Fall betraf den Nachlass einer Erblasserin, die mit ihrem 2007 verstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatte. In diesem Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten ihre vier Söhne als Schlusserben. Zwei der Söhne, darunter der Kläger, hatten bereits zu Lebzeiten Baugrundstücke als Schenkung erhalten. Nach dem Tod ihres Mannes schloss die Erblasserin eine Teilauseinandersetzung ab und zahlte ihren anderen beiden Söhnen jeweils 70.000 Euro mit der Begründung, diese Ausgleichszahlung solle die geringere Wertigkeit der ihnen zugewiesenen Grundstücke kompensieren.

Nach dem Tod der Erblasserin forderte der Kläger von seinen Brüdern die anteilige Rückzahlung der 70.000 Euro, da diese Zuwendungen eine Beeinträchtigung seines Erbrechts darstellten. Das OLG Saarbrücken gab ihm Recht:

Kein lebzeitiges Eigeninteresse

Die Erblasserin konnte kein lebzeitiges Eigeninteresse geltend machen, das die Schenkungen rechtfertigen würde. Es ging der Erblasserin vornehmlich darum, die vermeintlich ungleiche Verteilung der Grundstücke zu korrigieren, was jedoch keine ausreichende Begründung für die Schenkungen darstellt.

Das Gericht stellte fest, dass die Erblasserin durch die Schenkungen den Vertragserben objektiv benachteiligte und somit ihre Verfügungsbefugnis missbrauchte.

Aufgrund der Beeinträchtigungsabsicht sind die Schenkungen gemäß § 2287 BGB rückforderbar.

Rechtsfolgen und Anspruch auf Rückgabe

  • Ungerechtfertigte Bereicherung: Der Kläger hat gemäß § 2287 BGB i.V.m. den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 818 ff. BGB) Anspruch auf Rückgabe der Zuwendungen, soweit diese seine Erbrechte beeinträchtigen.
  • Berechnung der Rückforderung: Die Rückforderungen sind entsprechend der Erbquote des Klägers zu berechnen. In diesem Fall waren es 17.100,32 Euro pro Beklagtem, die zurückzuerstatten sind.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken unterstreicht die Folgen, wenn der Erblasser durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament gebunden ist. Schenkungen, die die Rechte der Miterben beeinträchtigen, können rückforderbar sein, wenn keine ausreichende Rechtfertigung durch ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers besteht. Für Erblasser und Erben ist es wichtig, die rechtlichen Konsequenzen von Schenkungen und testamentarischen Verfügungen sorgfältig zu prüfen.

Sollten Sie Fragen zur Testamentsgestaltung oder zur Rückforderung von Schenkungen haben, steht Ihnen unsere Kanzlei mit ihrer Expertise im Erbrecht gerne zur Verfügung.

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