Pflichtteilsrecht

Das Pflichtteilsrecht ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Erbrechts. Es stellt sicher, dass nahe Angehörige eines Erblassers einen Mindestanteil am Nachlass erhalten, auch wenn sie enterbt sind. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Grundlagen, die Berechnung und die Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs.

1. Grundlagen des Pflichtteilsrechts

Die Testierfreiheit erlaubt es einem Erblasser, sein Vermögen nach Belieben zu verteilen. Doch das Pflichtteilsrecht setzt dieser Freiheit Grenzen. Es schützt nahe Angehörige, insbesondere Abkömmlinge und Ehegatten, indem es ihnen einen Pflichtteil am Nachlass zusichert. Das Bundesverfassungsgericht sieht das Pflichtteilsrecht als von der Erbrechtsgarantie in Artikel 14 des Grundgesetzes umfasst an.

2. Pflichtteilsberechtigte Personen

Pflichtteilsberechtigt sind gemäß § 2303 BGB:

  • Abkömmlinge des Erblassers: Kinder und Kindeskinder.
  • Eltern des Erblassers: Wenn der Erblasser kinderlos verstorben ist.
  • Ehegatte des Erblassers: Der überlebende Ehegatte hat stets ein Pflichtteilsrecht, unabhängig von der Anzahl der Kinder.

Andere Verwandte, wie Geschwister, Tanten oder Onkel, sind nicht pflichtteilsberechtigt.

3. Berechnung des Pflichtteils

Der Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch, der sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beläuft. Die Höhe des Pflichtteils wird folgendermaßen berechnet:

  • Ermittlung des Nachlasswerts: Der Wert des Nachlasses wird zum Zeitpunkt des Erbfalls ermittelt. Hierzu gehören alle Vermögenswerte des Erblassers abzüglich der Verbindlichkeiten.
  • Pflichtteilsquote: Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der dem Berechtigten zugestanden hätte, wenn er nicht enterbt worden wäre.

4. Sonderregelungen: Zusatzpflichtteil und Pflichtteilsergänzung

In bestimmten Fällen sieht das Gesetz einen Zusatzpflichtteil oder eine Pflichtteilsergänzung vor:

  • Zusatzpflichtteil: Wenn der Pflichtteilsberechtigte als Erbe eingesetzt wurde, jedoch mit einem Erbteil, der unterhalb der Pflichtteilsquote liegt, hat er Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil, der die Differenz ausgleicht.
  • Pflichtteilsergänzung: Hat der Erblasser vor seinem Tod Schenkungen an Dritte vorgenommen, die den Pflichtteil mindern, kann der Pflichtteilsberechtigte eine Ergänzung seines Pflichtteils verlangen. Dies gilt für Schenkungen, die innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall getätigt wurden. Noch länger zurück liegende Schenkungen können relevant sein, wenn sie an den Ehegatten erfolgt sind oder sich der Erblasser Rechte vorbehalten hat (z.B. Nießbrauch, Wohnungsrecht).

5. Anrechnung von Schenkungen

Hat der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten des Erblassers bereits Zuwendungen erhalten, können diese auf den Pflichtteil angerechnet werden, wenn der Erblasser dies so bestimmt hat. Auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch können sie auch ohne Anrechnungsbestimmung anzurechnen sein.

6. Entziehung und Beschränkung des Pflichtteils

Der Pflichtteil ist grundsätzlich unentziehbar. Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen der Pflichtteil entzogen oder beschränkt werden kann, etwa bei schweren Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser. Solche Verfehlungen müssen schwerwiegender Natur sein, wie etwa Straftaten oder die böswillige Verletzung von Unterhaltspflichten.

7. Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs

Der Pflichtteilsberechtigte hat gegenüber den Erben einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlassbestand, um seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können. Diese Auskunftspflicht ist gesetzlich geregelt und kann im Zweifel gerichtlich durchgesetzt werden.

Fazit

Das Pflichtteilsrecht bietet nahen Angehörigen Schutz vor Enterbung und garantiert ihnen eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Aufgrund der Komplexität und der zahlreichen Sonderregelungen ist es ratsam, sich im Erbfall rechtlich beraten zu lassen, um den Pflichtteilsanspruch korrekt und umfassend durchzusetzen.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der Geltendmachung Ihres Pflichtteils und berät Sie zu allen Fragen rund um das Erbrecht.

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