Das OLG Hamm entschied am 1. Juli 2024 (Az. 10 W 100/23) über die Wirksamkeit einer Erbausschlagungserklärung, deren Anfechtung wegen angeblicher Geschäftsunfähigkeit des Erben erfolgte. Die Entscheidung beleuchtet die Anforderungen an die richterliche Amtsermittlung und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten im Erbscheinsverfahren.
1. Sachverhalt
Der Erblasser verstarb ohne Testament, sodass die gesetzliche Erbfolge eingriff. Ein Sohn des Erblassers schlug die Erbschaft formgerecht aus. Später machte er geltend, zum Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung geschäftsunfähig gewesen zu sein und beantragte, ihm einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Erben ausweist. Das Amtsgericht hielt die Erbausschlagung für wirksam und wies den Erbscheinsantrag zurück. Dagegen legte der Sohn Beschwerde ein.
2. Entscheidung des OLG Hamm
Das OLG Hamm wies die Beschwerde des Sohns zurück. Es stellte fest, dass die Erbausschlagung rechtswirksam erfolgt war und keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Ausschlagung vorlagen. Dabei traf das OLG Hamm Aussagen zur richterlichen Aufklärungspflicht und zur objektiven Feststellungslast im Erbscheinsverfahren.
a) Keine Verletzung der Amtsermittlungspflicht
Das Gericht betonte, dass die Amtsermittlungspflicht gemäß § 26 FamFG ihre Grenzen hat, wenn keine plausiblen Anhaltspunkte für die behauptete Geschäftsunfähigkeit vorliegen. Im vorliegenden Fall lagen zwar ärztliche Atteste vor, die jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit am Tag der Ausschlagungserklärung lieferten. Das Gericht stellte klar, dass die Beteiligten verpflichtet sind, konkrete Anhaltspunkte vorzubringen, die dem Gericht Hinweise für Ermittlungen geben.
b) Objektive Feststellungslast
Das OLG stellte fest, dass die objektive Feststellungslast denjenigen trifft, der für sich ein Erbrecht beansprucht. In diesem Fall trug der Sohn die Feststellungslast, um die Unwirksamkeit seiner Ausschlagungserklärung wegen Geschäftsunfähigkeit zu beweisen. Die vorgelegten Atteste waren jedoch nicht hinreichend, um die Geschäftsunfähigkeit nachzuweisen, da sie keine konkreten Aussagen zur geistigen Verfassung zum Zeitpunkt der Ausschlagung enthielten.
3. Rechtliche Bedeutung
Das Urteil unterstreicht die Grenzen der richterlichen Aufklärungspflicht im Erbscheinsverfahren. Die Gerichte sind nur verpflichtet, Ermittlungen anzustellen, wenn konkrete Anhaltspunkte für die behauptete Geschäftsunfähigkeit vorliegen. Pauschale Behauptungen oder unzureichende ärztliche Atteste genügen nicht, um die Amtsermittlungspflicht auszulösen. Zudem trägt derjenige, der ein Erbrecht beansprucht, die Verantwortung dafür, stichhaltige Angaben vorzutragen und Beweise anzubieten.
4. Fazit
Das OLG Hamm bestätigte mit dieser Entscheidung, dass die Ermittlungspflicht des Gerichts nicht unbegrenzt ist und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten eine zentrale Rolle im Erbscheinsverfahren spielen. Pauschale Behauptungen zur Geschäftsunfähigkeit ohne konkrete Beweise führen nicht zur Unwirksamkeit einer Erbausschlagung. Dies gilt insbesondere dann, wenn die vorgelegten ärztlichen Unterlagen keine spezifischen Angaben zur Geschäftsfähigkeit am Tag der Ausschlagung machen.
5. Unterstützung durch unsere Kanzlei
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