Die Pflichtteilsstufenklage ist ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen. Sie ermöglicht es dem Pflichtteilsberechtigten, nacheinander Auskunft über den Nachlass zu erhalten, die Richtigkeit dieser Auskunft zu überprüfen, den Nachlass bewerten zu lassen und schließlich den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Die Klage wird typischerweise in vier Stufen geführt: Auskunft, eidesstattliche Versicherung, Wertermittlung und Zahlung. Im Folgenden werden die einzelnen Stufen detailliert dargestellt.
1. Aufbau der Pflichtteilsstufenklage
1.1. Erste Stufe: Auskunftsanspruch
Der Auskunftsanspruch bildet die Grundlage der Stufenklage. Da der Pflichtteilsberechtigte häufig keine genauen Kenntnisse über den Umfang des Nachlasses hat, kann er zunächst von den Erben eine vollständige Auskunft verlangen. Die Auskunftspflicht der Erben ergibt sich aus § 2314 BGB. Folgende Punkte sind hierbei besonders relevant:
- Nachlassverzeichnis: Die Erben müssen ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Passiva) erstellen. Dies umfasst Bankguthaben, Immobilien, Wertpapiere und andere Vermögenswerte, aber auch die Nachlassverbindlichkeiten – also die Schulden des Erblassers und die aufgrund des Erbfalls entstandenen Kosten. Zudem sind lebzeitige Zuwendungen des Erblassers anzugeben, denn sie können die Höhe des Pflichtteilsanspruchs beeinflussen und sogar zu einem Ergänzungsanspruch führen.
- Notarielles Nachlassverzeichnis: Der Pflichtteilsberechtigte muss sich nicht mit einem vom Erben erstellten Verzeichnis zufrieden geben, sondern hat das Recht, ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Ein Notar als neutrale Amtsperson hat die Angaben des Verzeichnisses selbst zu ermitteln.
Durch diese erste Stufe wird der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt, sich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen und die Höhe seines Pflichtteils zu berechnen.
1.2. Zweite Stufe: Eidesstattliche Versicherung
Wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Nachlassverzeichnis unsorgfältig aufgestellt worden ist, kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass der Erbe an Eides statt versichert, die Auskünfte so vollständig erteilt zu haben, wie er dazu imstande ist. Diese Möglichkeit ist in § 260 Abs. 2 BGB geregelt.
Die eidesstattliche Versicherung stellt ein wirksames Druckmittel dar, um den Erben zur vollständigen und richtigen Auskunft zu verpflichten. Wird die Richtigkeit der Angaben vereidigt, geht der Erbe ein erhebliches Risiko ein, da die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung erhebliche strafrechtliche Konsequenzen haben kann.
1.3. Dritte Stufe: Wertermittlung
In der dritten Stufe der Stufenklage verlangt der Pflichtteilsberechtigte die Wertermittlung der im Nachlassverzeichnis enthaltenen Vermögensgegenstände z. B. Immobilien, Kunstwerke oder Unternehmensbeteiligungen. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie dieser Anspruch umgesetzt werden kann:
- Eigenständige Wertermittlung durch den Pflichtteilsberechtigten: Der Erbe muss dem Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Unterlagen (z. B. Gutachten, Verkaufsunterlagen, Steuerbescheide) zur Verfügung stellen, damit dieser selbst die Bewertung der Nachlassgegenstände durchführen oder beauftragen kann. Der Erbe muss auch ermöglichen und dulden, dass der Nachlassgegenstand durch den Pflichtteilsberechtigten oder einen von ihm beauftragten Sachverständigen besichtigt wird.
- Externe Gutachten: Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass der Erbe ein Sachverständigengutachten zur Bewertung der Nachlassgegenstände einholt.
Die Wertermittlung ist entscheidend, um den Pflichtteilsanspruch korrekt zu beziffern. Fehlerhafte oder unvollständige Bewertungen können zu einer erheblichen Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten führen. Eine Alternative zum Wertermittlungsanspruch ist die Möglichkeit, ein selbständiges Beweisverfahren durchzuführen.
1.4. Vierte Stufe: Zahlung
Die letzte Stufe der Pflichtteilsstufenklage ist die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs. Nachdem der Pflichtteilsberechtigte alle notwendigen Informationen erhalten hat und der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wurde, kann er seinen Pflichtteilsanspruch konkret beziffern und die Zahlung des entsprechenden Betrags verlangen.
Der Pflichtteilsanspruch ist ein Zahlungsanspruch, der sich auf einen prozentualen Anteil des Nachlasswerts bezieht. Dieser Anteil entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils des Pflichtteilsberechtigten. Da der Pflichtteilsanspruch erst nach der vollständigen Wertermittlung konkret beziffert werden kann, stellt diese Stufe den Abschluss des Verfahrens dar.
Hinzu kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch kommen, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Vermögen verschenkt hat.
2. Vorteile der Pflichtteilsstufenklage
Die Stufenklage bietet dem Pflichtteilsberechtigten mehrere Vorteile:
- Verjährungshemmung: Mit Erhebung der Stufenklage wird die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gehemmt, selbst wenn der Leistungsanspruch erst in der vierten Stufe konkret beziffert wird.
- Effizienz: Die Stufenklage ermöglicht es, mehrere Ansprüche in einem einzigen Verfahren zu bündeln, was Zeit und Aufwand spart.
- Sicherheit: Durch die eidesstattliche Versicherung und die Möglichkeit der Wertermittlung durch Sachverständige wird darauf hingewirkt, dass der Nachlass vollständig erfasst und angemessen eingeschätzt wird.
Fazit
Die Pflichtteilsstufenklage ist ein wirksames Instrument, um Pflichtteilsansprüche in einem strukturierten Verfahren durchzusetzen. Sie ermöglicht es dem Pflichtteilsberechtigten, Schritt für Schritt alle notwendigen Informationen zu erhalten, die für die Berechnung seines Anspruchs erforderlich sind. Unsere Kanzlei steht Ihnen bei der Planung und Durchführung einer Pflichtteilsstufenklage zur Seite und unterstützt Sie dabei, Ihre Rechte optimal durchzusetzen.
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