Die Unternehmensnachfolge stellt häufig eine besondere Herausforderung im Rahmen des Pflichtteilsrechts dar. Unternehmen, insbesondere solche in Form von Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften, sind im Erbfall nicht nur wertvolle Vermögensbestandteile, sondern ihre Vererbung bringt oft komplexe rechtliche und wirtschaftliche Fragen mit sich. Pflichtteilsberechtigte, die im Testament nicht bedacht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden, haben dennoch Ansprüche, die im Rahmen der Unternehmensnachfolge Beachtung finden müssen.
1. Pflichtteil und Unternehmensnachfolge
Das Pflichtteilsrecht greift, wenn der Erblasser die Unternehmensanteile nur an bestimmte Erben weitergibt und dabei andere Pflichtteilsberechtigte, wie etwa Kinder oder den Ehegatten, nicht berücksichtigt. Der Pflichtteil beträgt in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und wird in Geld ausgezahlt. Für die Pflichtteilsberechnung ist der Wert des Nachlasses entscheidend, zu dem auch die Unternehmensanteile gehören. Die Bewertung solcher Unternehmensanteile wirft dabei besondere Probleme auf.
1.1. Unternehmensformen und deren Auswirkungen auf den Pflichtteil
Die Art des Unternehmens hat entscheidenden Einfluss darauf, wie der Pflichtteil berechnet wird und welche Rechte Pflichtteilsberechtigte haben:
- Kapitalgesellschaften: Bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH oder AG fließen die Geschäftsanteile des Erblassers in den Nachlass ein und sind für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs relevant. Dabei spielt die Bewertung der Anteile eine zentrale Rolle. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften ist dies vergleichsweise einfach, da der Börsenwert am Todestag herangezogen werden kann. Bei GmbH-Anteilen hingegen kann es schwieriger sein, den genauen Wert zu ermitteln, insbesondere wenn gesellschaftsvertragliche Regelungen existieren, die den Verkauf der Anteile beschränken.
- Personengesellschaften: Bei Personengesellschaften wie der OHG oder KG können gesellschaftsvertragliche Klauseln festlegen, dass die Gesellschaft nach dem Tod eines Gesellschafters unter den verbliebenen Gesellschaftern fortgeführt wird. Hier ist zu unterscheiden, ob die Erben in die Gesellschaft eintreten oder lediglich einen Abfindungsanspruch erhalten. Wenn Pflichtteilsberechtigte Ansprüche geltend machen, stellt sich die Frage, ob diese sich auf den tatsächlichen Unternehmenswert oder nur auf den gesellschaftsvertraglich festgelegten Abfindungswert beziehen.
2. Bewertungsprobleme bei Unternehmensanteilen
Die Bewertung von Unternehmensanteilen ist ein zentraler Aspekt bei der Berechnung des Pflichtteils. Es gibt keine allgemeingültige Methode zur Bewertung von Unternehmen, da verschiedene Faktoren wie die Unternehmensgröße, Branche und Struktur eine Rolle spielen. Folgende Methoden sind gebräuchlich:
2.1. Ertragswertmethode
Die Ertragswertmethode ist eine gängige Methode zur Bewertung von Unternehmen. Sie ermittelt den Wert eines Unternehmens anhand der zukünftigen Ertragsaussichten, die auf den Bewertungsstichtag abgezinst werden. Dies bedeutet, dass der Pflichtteilsanspruch auf Basis der zu erwartenden Gewinne des Unternehmens berechnet wird. Diese Methode ist jedoch umstritten, da sie dem Stichtagsprinzip widersprechen kann, welches besagt, dass der Wert eines Unternehmens am Todestag des Erblassers maßgeblich ist und nicht die zukünftigen Erträge.
2.2. Substanzwertmethode
Eine alternative Methode ist die Substanzwertmethode, bei der der Wert des Unternehmens anhand der vorhandenen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ermittelt wird. Diese Methode orientiert sich stärker an den tatsächlichen Werten im Nachlass und ist insbesondere dann relevant, wenn das Unternehmen nicht weitergeführt, sondern liquidiert werden soll. Pflichtteilsberechtigte können in solchen Fällen den Liquidationswert des Unternehmens ansetzen, um ihren Anspruch zu beziffern.
2.3. Latente Steuerlasten
Ein weiterer Faktor, der bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden muss, sind latente Steuerlasten. Diese entstehen durch stille Reserven im Unternehmen, die bei einem Verkauf des Unternehmens aufgedeckt und versteuert werden müssen. Pflichtteilsberechtigte und Erben können darüber streiten, ob und in welchem Umfang diese latenten Steuerlasten bei der Bewertung des Unternehmenswerts abgezogen werden dürfen.
3. Pflichtteilsergänzungsansprüche
Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB kann entstehen, wenn der Erblasser bereits zu Lebzeiten Unternehmensanteile verschenkt hat. In solchen Fällen wird der verschenkte Anteil dem Nachlass hinzugerechnet, und der Pflichtteilsberechtigte kann einen Anteil am fiktiven Nachlass verlangen. Die Frage, ob es sich bei der Übertragung von Unternehmensanteilen um eine Schenkung handelt, hängt häufig davon ab, ob der Übernehmer für die Unternehmensanteile eine angemessene Gegenleistung erbracht hat, etwa in Form von Übernahme von Schulden oder Arbeitsverpflichtungen.
4. Gesellschaftsvertragliche Regelungen
Gesellschaftsverträge enthalten häufig Regelungen, die die Rechte der Erben einschränken, etwa durch sogenannte Vinkulierungsklauseln oder Abfindungsregelungen. Diese können den Pflichtteil beeinflussen, da sie bestimmen, welchen Wert die Erben oder Pflichtteilsberechtigten aus dem Unternehmensanteil erhalten. Insbesondere Abfindungsklauseln, die eine Auszahlung unter dem tatsächlichen Unternehmenswert vorsehen, können dazu führen, dass Pflichtteilsberechtigte einen geringeren Anspruch haben.
Fazit
Die Pflichtteilsansprüche bei der Unternehmensnachfolge sind oft komplex und erfordern eine gründliche Prüfung sowohl des Nachlasses als auch der gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Pflichtteilsberechtigte haben Anspruch auf einen Anteil am Unternehmenswert, jedoch hängt die Höhe dieses Anspruchs von der genauen Bewertung der Unternehmensanteile und den vertraglichen Regelungen ab. Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre Pflichtteilsansprüche durchzusetzen oder in der Unternehmensnachfolge die bestmögliche Strategie zu entwickeln.
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