Keine Erbunwürdigkeit durch Blankotestament

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 16. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 14. März 2024 (Az.: 24 U 152/22) wichtige Aspekte zur Erbunwürdigkeit und aufgrund von im Erbscheinsverfahren zugrunde gelegten Testamenten behandelt. In dem Fall ging es um die Frage, ob die Beklagte, die von den Klägern der Fälschung eines Testaments beschuldigt wurde, erbunwürdig ist und damit vom Erbe ausgeschlossen werden kann. Diese Entscheidung betont die hohen Anforderungen an den Nachweis der Erbunwürdigkeit und die Beweislast der Kläger.

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1. Erbunwürdigkeit und Urkundenfälschung

Die Kläger, die Kinder des Erblassers und der Beklagten, führten an, dass die Beklagte ein Testament gefälscht habe, indem sie ein Dokument auf Basis einer Blankounterschrift des Erblassers selbst verfasst habe. Die Kläger argumentierten, dass diese Handlung eine Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB bzw. eine mittelbare Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB darstelle, was zur Erbunwürdigkeit der Beklagten gemäß § 2339 BGB führe. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Kläger die Beweislast für den Vorwurf der Fälschung tragen und dass die Beweislage hier nicht ausreichte, um eine Erbunwürdigkeit festzustellen.

a) Beweislast bei Erbunwürdigkeit

Das Gericht betonte, dass die Kläger die Erbunwürdigkeit beweisen müssen, da sie sich auf diese berufen. Hierbei geht es nicht nur darum, nachzuweisen, dass das vorgelegte Dokument ungültig ist, sondern auch, dass keine andere Verfügung existiert, die das Erbrecht der Beklagten begründen könnte. In diesem Fall konnten die Kläger nicht ausschließen, dass möglicherweise ein anderes, formwirksames Testament vorliegt, das die Beklagte als Erbin einsetzt.

b) Unvollständige Beweiskraft des Erbscheins

Der Erbschein bezeugt lediglich die Erbfolge, wie sie sich aus der vorgelegten Verfügung ergibt, ohne zu prüfen, ob diese Verfügung tatsächlich die letzte gültige Willenserklärung des Erblassers darstellt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass der Erbschein keine abschließende Feststellung darüber enthält, auf welchem Dokument die Erbfolge tatsächlich basiert.

2. Erbscheinsverfahren und Pflicht zur Auskunft

Das Gericht befasste sich auch mit dem Auskunftsanspruch der Kläger über den Nachlass. Die Beklagte wurde zur Vorlage eines Nachlassverzeichnisses und zur Auskunft über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände verpflichtet. Dies beruht auf den §§ 2027 und 2018 BGB, die einen Anspruch der Miterben gegen den Erbschaftsbesitzer auf Auskunft und Rechnungslegung begründen, wenn dieser eine Alleinerbenstellung für sich in Anspruch nimmt.

Stufenklage zur Auskunft und Rechnungslegung

Die Kläger wählten eine Stufenklage, um die Beklagte zunächst zur Auskunft über den Nachlass zu verpflichten, bevor sie ihre weiteren Ansprüche geltend machen konnten. Der Anspruch auf Auskunft umfasst nicht nur den Verbleib der ursprünglichen Erbschaftsgegenstände, sondern auch deren Surrogate, also Gegenstände, die durch Verkauf oder Austausch entstanden sind.

3. Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Ein weiterer Punkt war der Schadensersatzanspruch der Klägerin zu 2) gegen die Beklagte in Höhe von 8.377,75 €. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte die Kläger durch die bewusste Vorlage eines unrichtigen Testaments sittenwidrig geschädigt habe. Diese Sittenwidrigkeit ergab sich aus der vorsätzlichen Vorlage eines Dokuments, das nicht den wahren Willen des Erblassers widerspiegelte, sondern mit einer Blankounterschrift versehen war und so den Eindruck eines gemeinschaftlichen Testaments erweckte.

Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB

Für eine Haftung nach § 826 BGB müssen besondere verwerfliche Umstände vorliegen. Hierzu gehört, dass der Schädiger vorsätzlich falsche Angaben macht, um sich auf Kosten des Geschädigten einen Vorteil zu verschaffen. Die Beklagte wurde verurteilt, die Klägerin zu 2) für Anwaltskosten, die ihr durch das gerichtliche Vorgehen gegen die Beklagte entstanden sind, zu entschädigen, da das Verhalten der Beklagten als besonders verwerflich gewertet wurde.

Fazit

Diese Entscheidung des OLG Köln verdeutlicht die strengen Anforderungen an den Nachweis der Erbunwürdigkeit und die Pflicht des Erbschaftsbesitzers zur vollständigen Offenlegung des Nachlassbestands. Pflichtteils- und Erbenansprüche sind nicht nur im Erbscheinsverfahren, sondern auch durch zivilrechtliche Klageverfahren durchsetzbar. Wenn Sie als Erbe Ansprüche durchsetzen müssen oder Fragen zur Auskunftspflicht und Erbunwürdigkeit haben, unterstützen wir Sie gerne dabei, Ihre Rechte effektiv wahrzunehmen und den Nachlass transparent darzustellen.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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