Das verschwundene Testament: Was passiert, wenn die Originalurkunde nicht mehr auffindbar ist?

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 8. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Ein Testament ist die formelle Erklärung des letzten Willens einer Person. Doch was geschieht, wenn nach dem Tod des Erblassers das Originaltestament nicht mehr auffindbar ist? Diese Frage stellt sich häufiger, als man denkt, und die rechtlichen Folgen sind komplex. Der folgende Artikel erläutert, welche Auswirkungen das Fehlen der Original-Testamentsurkunde hat und welche rechtlichen Schritte eingeleitet werden können.

Was bedeutet es, wenn das Testament fehlt?

Wenn das Originaltestament verschwunden ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass das Testament ungültig ist. Grundsätzlich bleibt der im Testament niedergelegte Wille des Erblassers wirksam, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Erblasser das Testament widerrufen hat. Das Fehlen der Urkunde stellt vor allem ein Beweisproblem dar.

Gründe für das Verschwinden des Testaments

Es gibt verschiedene Gründe, warum eine Testamentsurkunde nicht mehr auffindbar ist:

  1. Versehentliches Vernichten oder Verlieren: Die Urkunde könnte versehentlich entsorgt oder verlegt worden sein, sei es durch den Erblasser selbst oder durch Dritte.
  2. Manipulation durch Dritte: Ein Dritter könnte die Urkunde unterdrückt oder vernichtet haben, um die Erbfolge zu beeinflussen.
  3. Bewusste Vernichtung durch den Erblasser: Der Erblasser könnte das Testament bewusst vernichtet haben, um es zu widerrufen.

Nur im letzten Fall – der bewussten Vernichtung durch den Erblasser – ist das Testament widerrufen und damit ungültig. Allerdings kann die Durchsetzung des Testaments auch in den ersten beiden Fällen daran scheitern, dass sein Inhalt und seine formgerechte Errichtung nicht nachgewiesen werden können.

Die rechtliche Beurteilung

Die Gerichte müssen im Erbfall beurteilen, ob der Erblasser das Testament formwirksam errichtet hat, welchen Inhalt das Testament hat und ob das Verschwinden des Testaments auf einem Widerruf beruht.

Im Erbfall wird das Gericht zunächst prüfen, ob der Erblasser das Testament formwirksam errichtet hat und welchen Inhalt es hat. Für die formgerechte Errichtung muss insbesondere feststehen, dass der Erblasser das Testament persönlich mit eigener Hand geschrieben und unterschrieben hat. Zudem muss der Inhalt des Testaments sicher festgestellt werden. Als Beweismittel kommen beispielsweise Kopien, Fotos oder Zeugen in Betracht. Bleiben Form und Inhalt unklar, hat derjenige den Nachteil, der sich auf das Testament berufen möchte.

Steht fest, dass der Erblasser das verschwundene Testament formgerecht errichtet hat und steht der Inhalt fest, ist das Testament als wirksam zu behandeln, solange nicht nachgewiesen ist, dass sein Verschwinden auf einer bewussten Vernichtung durch den Erblasser beruht.

Zum Verschwinden wird untersucht, ob das Testament bis zuletzt im Besitz des Erblassers war und ob es Hinweise auf eine mögliche Einflussnahme durch Dritte gibt. Wenn Indizien darauf hindeuten, dass der Erblasser das Testament widerrufen wollte, kann das Gericht zu dem Schluss kommen, dass das Testament nicht mehr wirksam ist.

Konsequenzen für Erben und Nachlassgericht

Erben müssen in einem solchen Fall oft umfangreiche Beweise erbringen, um die Gültigkeit des Testaments bzw. die bewusste Vernichtung durch den Erblasser nachzuweisen. Das Nachlassgericht kann beispielsweise schriftvergleichende Gutachten anfordern oder Zeugen vernehmen, die das Testament gesehen haben oder beobachtet haben, wie der Erblasser es geschrieben oder vernichtet hat.

Sinnvoll ist, das Testament beim Amtsgericht in Verwahrung zu geben. Bei notariellen Testamenten geschieht dies automatisch, bei eigenhändigen Testamenten hingegen nur dann, wenn man sich darum kümmert.

Testament hinterlegen

Das Verschwinden eines Testaments stellt Erben und Gerichte vor erhebliche Herausforderungen. Um solche Unsicherheiten zu vermeiden, sollte das Testament in die amtliche Verwahrung des Amtsgerichts gegeben werden. Das kostet nur rund 100 Euro und schützt das Testament vor Manipulationen und Abhandenkommen.

Weitere rechtliche Details und Hintergründe sind in meinen folgenden Fachaufsätzen nachzulesen:

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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