OLG Koblenz: So muss ein notarielles Nachlassverzeichnis aussehen

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 15. Dezember 2015 von Tobias Goldkamp

Themen: Erbrechtliche Ansprüche

Im Beschluss vom 18. März 2014 – 2 W 495/13 – erläutert das Oberlandesgericht Koblenz, wie ein Notar ein Nachlassverzeichnis zu erstellen hat. Nach § 2314 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte nicht nur vom Erben verlangen, ein Verzeichnis über den Nachlassbestand anzufertigen. Er kann dem Erben auch aufgeben, einen Notar zu beauftragen, ein solches Verzeichnis auf Kosten des Nachlasses aufzunehmen. Der Notar soll als neutrale Amtsperson eine Gewähr bieten, dass das Verzeichnis möglichst gewissenhaft erstellt wird.

„Die Aufnahme des Verzeichnisses durch eine Amtsperson soll dem Pflichtteilsberechtigten einen höheren Grad an Richtigkeit der Auskunft gewährleisten als die Privatauskunft des Erben (vgl. OLG Celle, ZErb 2003, 382; Schreinert, RNotZ 2008, 61, 68). Sie ist schon begrifflich eigene Bestandsaufnahme, nicht Aufnahme nur von Erklärungen einer anderen Person (vgl. Auch OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 2026), wie der Vergleich mit den Vorschriften über das Nachlassinventar zeigt, dessen Inhalt sich im Kern mit demjenigen des Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 Satz 1, 3 BGB deckt. Diese Vorschriften unterscheiden zwischen dem Inventar, welches der Erbe selbst aufnimmt und zu welchem er den Notar nur hinzuzieht (§ 2002 BGB), und demjenigen, welches der Erbe durch eine Amtsperson aufnehmen lässt (§ 2003 Abs. 1 Satz 1 BGB). Den danach an die von der Schuldnerin zu erteilende Auskunft gerade durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu stellenden besonderen Anforderungen wird die vom Notar Dr. …[B] errichtete Urkunde vom 8.11.2012 nicht gerecht.

Insoweit genügt auch nicht die landgerichtliche Überlegung, dass der Notar durch seine Unterschrift auch für ein unzureichendes Nachlassverzeichnis Verantwortung übernehme, da diese Verantwortung weitgehend theoretischer Natur bleibt. Um im Falle eines unzureichenden Nachlassverzeichnisses gegenüber dem Notar einen Amtshaftungsanspruch geltend machen zu können, würde der Geschädigte nämlich genau jene Angaben benötigen, von deren Ermittlung der Notar durch seine pflichtwidrige (Un-)Tätigkeit Abstand genommen hat. Der Senat verkennt dabei auch nicht, dass ein Notar letztlich nur bedingt den Nachlass einer fremden Person ermitteln kann. Die vorgelegte notarielle Urkunde lässt indes keine Rückschlüsse zu, inwieweit der Notar hier überhaupt versucht hat, eine eigene Bestandsaufnahme des Nachlasses des am 20.1.2012 verstorbenen …[A] vorzunehmen. Als solche eigene Ermittlungstätigkeiten eines Notars erscheinen beispielsweise denkbar:

– eigene Ermittlung von Grundbesitz,

– Veranlassung der Einholung von Bewertungsgutachten durch den Auskunftsverpflichteten,

– Überprüfung eingeholter Wertgutachten auf Plausibilität,

– Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen 10-Jahres-Zeitraum,

– Einholung einer Vollmacht des Auskunftsverpflichteten, bei Bankinstituten (einschließlich Sparkassen), die in der Nähe des letzten Wohnortes des Erblassers eine Zweigstelle unterhalten, anzufragen, ob im genannten 10-Jahres-Zeitraum eine Kundenverbindung zum Erblasser bestanden habe, nebst entsprechender Anfrage,

– Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen (könnten).

Die aufgeführten Beispiele sind dabei weder abschließend noch stellen sie einen in jedem Einzelfall durch den Notar zu gewährleistenden Mindeststandard dar. Der Notar entscheidet insoweit unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände nach eigenem Ermessen, welche Ermittlungen er vornimmt (vgl. Schreinert, a.a.O., 69). Das Ergebnis dieser eigenen Ermittlungen muss er aber in der Urkunde niederlegen und als eigene Erklärung zum Ausdruck bringen, dass nach diesen Ermittlungen weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden sind. Seine Verantwortung für die abgegebene Erklärung kann er dabei dadurch eingrenzen, dass er die von ihm vorgenommenen Ermittlungen offenlegt, so dass deutlich wird, in welchem Umfang er überhaupt eigene Feststellungen treffen konnte (vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 2011, 1258). Der – wie hier – Verzicht auf jegliche eigene Ermittlungstätigkeit, ohne dass hierfür tragfähige Gründe benannt würden, genügt den Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis indes nicht.

Auch eine eidesstattliche Versicherung der Schuldnerin hinsichtlich der hier von ihr zu notariellem Protokoll gegebenen Nachlassaufstellung ersetzt diese eigenen Ermittlungen des Notars nicht. Hierdurch versichert die Schuldnerin nämlich nur, auf Grundlage ihres laienhaften Rechtsverständnisses vollständige Angaben gemacht zu haben, während das notarielle Nachlassverzeichnis – neben anderem – gerade sicherstellen soll, dass sämtliche nach der objektiven Rechtslage geschuldeten Angaben festgehalten werden. Die Berufung des Gläubigers auf ein bislang noch nicht ordnungsgemäß erstelltes notarielles Nachlassverzeichnis erweist sich vor diesem Hintergrund daher trotz der hier bereits vorgreiflich abgegebenen – grundsätzlich „höherstufigen“ – eidesstattlichen Versicherung der Schuldnerin auch nicht als rechtsmissbräuchlich (vgl. OLG Schleswig, FamRZ 2011, 1821).

Sollte der von der Schuldnerin beauftragte Notar Dr. …[B] die Erstellung eines ordnungsgemäßen Nachlassverzeichnisses verweigern, wird die Schuldnerin gegen diesen dienstrechtliche Maßnahmen einzuleiten oder einen anderen Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu beauftragen haben. Dass sowohl der Gläubiger wie auch die Schuldnerin Schwierigkeiten sehen, einen zur Übernahme dieser Angelegenheit bereiten Notar zu finden, führt – schon im Hinblick auf die denkbaren dienstrechtlichen Maßnahmen – nicht zur Unmöglichkeit der schuldnerseitigen Erfüllungsmöglichkeit. Dem sich abzeichnenden Erfordernis, hier erst dienstrechtliche Maßnahmen einleiten zu müssen, ist jedoch dergestalt Rechnung zu tragen, dass der Schuldnerin noch eine weitere „Schonfrist“ zur Beibringung des geschuldeten notariellen Nachlassverzeichnisses einzuräumen ist. Inwieweit die Schuldnerin über diese „Schonfrist“ hinaus im Zuge eingeleiteter dienstrechtlicher Maßnahmen oder notarieller Ermittlungstätigkeiten vorübergehend noch an der Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses gehindert ist, wird im Rahmen eines eventuellen Beitreibungsantrages des Gläubigers zu berücksichtigen sein.“

Tobias Goldkamp

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131-718190

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