OLG Naumburg: Keine Enterbung durch nachträgliche Sanktionen in einem gemeinschaftlichen Testament

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 14. März 2025 von Tobias Goldkamp

Das Oberlandesgericht Naumburg (Urteil vom 25.05.2023 – 2 U 98/22) hat entschieden, dass eine Erblasserin in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Erbeinsetzungen nicht durch eine nachträgliche sogenannte Sanktionsklausel einseitig ändern kann. Zudem stellte das Gericht klar, dass die testamentarische Zuweisung eines Hausgrundstücks an einen Miterben eine Teilungsanordnung nach § 2048 BGB darstellt und nicht als Vorausvermächtnis anzusehen ist.

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Der Fall: Streit um die Erbauseinandersetzung nach gemeinschaftlichem Testament

Die Erblasserin hatte mit ihrem bereits verstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre vier gemeinsamen Kinder als Schlusserben eingesetzt hatten.

In einem späteren handschriftlichen Testament ordnete sie an, dass eines ihrer Kinder das Hausgrundstück übernehmen solle. Gleichzeitig verpflichtete sie dieses Kind dazu, den anderen Miterben jeweils eine Ausgleichszahlung zu leisten. Weiterhin nahm sie eine Klausel in das Testament auf, wonach ein Erbe, der das Testament anfechtet, auf den Pflichtteil gesetzt wird.

Nach dem Erbfall kam es zum Streit über die Rechtsnatur der Grundstückszuweisung, die Höhe der Ausgleichszahlungen und die Wirksamkeit der Sanktionsklausel.

Die Entscheidung des OLG Naumburg

Das OLG Naumburg stellte zwei zentrale Punkte klar:

1. Grundstückszuweisung als Teilungsanordnung, nicht als Vorausvermächtnis

📌 Das Gericht wertete die testamentarische Verfügung über das Hausgrundstück als Teilungsanordnung nach § 2048 BGB.

  • Eine Teilungsanordnung regelt die Nachlassverteilung unter den Erben, ohne deren Erbquoten zu verändern.
  • Ein Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB hätte dem Begünstigten zusätzlich zu seinem Erbteil einen eigenständigen Vermögensvorteil verschafft, was hier nicht der Fall war.
  • Die Erblasserin hatte ausdrücklich verfügt, dass das begünstigte Kind den anderen Miterben einen wertmäßigen Ausgleich leisten müsse, was für eine Teilungsanordnung spricht.

Ergebnis: Der Erbe des Grundstücks muss die im Testament festgelegten Ausgleichszahlungen an die Miterben leisten, bleibt aber Erbe.

2. Unwirksamkeit der Sanktionsklausel

📌 Die Sanktionsklausel, wonach ein Erbe im Fall einer Testamentsanfechtung auf den Pflichtteil gesetzt wird, ist unwirksam.

  • Nach § 2271 Abs. 2 BGB kann der überlebende Ehegatte eine wechselbezügliche Erbeinsetzung nicht nachträglich einseitig ändern.
  • Die Erblasserin hätte also keinen Schlusserben durch die Sanktionsklausel benachteiligen dürfen.
  • Eine solche Klausel wäre nur zulässig gewesen, wenn bereits im ursprünglichen gemeinschaftlichen Testament eine vergleichbare Regelung enthalten gewesen wäre – was hier nicht der Fall war.

Ergebnis: Die Klausel ist unwirksam, die Erbfolge bleibt wie ursprünglich festgelegt bestehen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung verdeutlicht zwei wesentliche Punkte für die Nachlassplanung:

Eine Grundstückszuweisung im Testament ist regelmäßig als Teilungsanordnung anzusehen. Ein Vorausvermächtnis liegt nur vor, wenn der Erbe ohne Verpflichtung zur Ausgleichszahlung begünstigt wird.

Nachträgliche Änderungen an einem gemeinschaftlichen Testament sind nur innerhalb der Bindungswirkung zulässig. Ein überlebender Ehegatte kann nicht durch eine spätere Klausel einzelne Schlusserben von der Erbfolge ausschließen.

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Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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