Prüfung des Grundbuchamts: Zustimmung des Ehegatten bei Verfügung über das Vermögen im Ganzen

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 9. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Möchte ein Ehegatte sich verpflichten, über sein gesamtes Vermögen im Ganzen zu verfügen, setzt dies nach § 1365 BGB voraus, dass der andere Ehegatte zustimmt. Diese Regelung gilt für den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die meisten Eheleute sind in diesem Güterstand verheiratet.

Als Verfügung über das gesamte Vermögen gilt auch eine Verfügung über nahezu das gesamte Vermögen. Diese Grenze gilt als erreicht bei 85 % für Aktivvermögen bis 250.000 Euro und bei 90 % bei höheren Vermögen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in einem Beschluss vom 5. Januar 2024 (Az. 2 Wx 228/23) entschieden, unter welchen Voraussetzungen das Grundbuchamt die Zustimmung des Ehegatten gemäß § 1365 BGB verlangen kann, wenn es um Verfügungen über das Vermögen im Ganzen geht.

1. Hintergrund des Falls

Im zugrunde liegenden Fall übertrug der Eigentümer eines Grundstücks, der im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet war, dieses Grundstück auf seine Tochter. Als Gegenleistung wurde ein Ausgleichsbetrag von 252.000 Euro vereinbart, und der Eigentümer behielt sich ein lebenslanges Wohnrecht am Vorderhaus vor. Im Kaufvertrag war jedoch keine Zustimmungserklärung des Ehegatten vorgesehen. Das Grundbuchamt beanstandete den Eintragungsantrag und forderte eine Zustimmungserklärung der Ehefrau des Eigentümers, da es davon ausging, dass es sich um eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen handelte, bei der § 1365 BGB eine Zustimmung des Ehegatten vorschreibt.

2. Kernaussagen des Gerichts

a) Prüfungspflicht des Grundbuchamts

Das OLG Köln stellte fest, dass das Grundbuchamt verpflichtet ist, die Zustimmung des Ehegatten nur dann zu verlangen, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1365 BGB bestehen. Solche Anhaltspunkte liegen vor, wenn das betreffende Rechtsgeschäft das gesamte oder nahezu das gesamte Vermögen des verfügenden Ehegatten betrifft. In diesem Zusammenhang hat das Grundbuchamt nicht nur den Verkehrswert des Grundstücks, sondern auch das verbleibende Vermögen des Ehegatten zu berücksichtigen.

b) Berücksichtigung des Wohnrechts

Das Gericht wies darauf hin, dass das vorbehaltene Wohnrecht des Ehegatten bei der Berechnung des verbleibenden Vermögens zu berücksichtigen ist. Das Wohnrecht stellt einen Vermögenswert dar, der dem Eigentümer einen Teil des Wertes des Grundstücks erhält. Damit kann das Wohnrecht den verbleibenden Vermögensanteil erhöhen und somit dazu führen, dass die Schwelle für das „Vermögen im Ganzen“ im Sinne von § 1365 BGB nicht erreicht wird.

c) Relativer Anteil des verbleibenden Vermögens

Nach den Feststellungen des Grundbuchamts belief sich der Wert des Grundstücks auf 858.720 Euro und das Kontoguthaben des Ehegatten auf 85.169,57 Euro. Das OLG Köln kam jedoch zu dem Schluss, dass der Wert des vorbehaltenen Wohnrechts ebenfalls zu berücksichtigen sei und dass dieses einen erheblichen Wert habe, der deutlich über 10.000 Euro liege. Dadurch wurde festgestellt, dass das verbleibende Vermögen des Ehegatten mehr als 10 % seines Gesamtvermögens ausmachte, was bedeutet, dass keine Verfügung über das gesamte Vermögen im Sinne des § 1365 BGB vorlag und somit keine Zustimmung des Ehegatten erforderlich war.

3. Praxisrelevanz

Das Urteil zeigt, dass das Grundbuchamt nicht automatisch eine Zustimmung des Ehegatten verlangen darf, wenn eine größere Vermögensübertragung erfolgt. Es muss immer geprüft werden, ob das verbleibende Vermögen des Ehegatten einen substanziellen Wert darstellt, insbesondere unter Berücksichtigung vorbehaltener Wohnrechte oder ähnlicher Vermögenswerte.

Fazit

Das OLG Köln hat klargestellt, dass die Zustimmung des Ehegatten bei Verfügungen über das Vermögen im Ganzen nur dann erforderlich ist, wenn das verbleibende Vermögen des verfügenden Ehegatten einen nur sehr geringen Wert hat. Vorbehaltene Wohnrechte sind in diesem Zusammenhang als Vermögenswerte anzusehen, die den verbleibenden Vermögensanteil erhöhen können. Diese Entscheidung bietet wertvolle Leitlinien für die Gestaltung von Übertragungsverträgen in der Zugewinngemeinschaft und die Prüfungspflichten des Grundbuchamts.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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