Die Nachlassplanung für Kinder mit Behinderung erfordert besondere Sorgfalt, da nicht nur die familiären und persönlichen Interessen berücksichtigt werden müssen, sondern auch sozialhilferechtliche Aspekte. Eltern behinderter Kinder stehen häufig vor der Herausforderung, sicherzustellen, dass ihr Kind nach ihrem Tod etwas vom Nachlass hat, ohne dass der Sozialhilfeträger Zugriff auf das ererbte Vermögen erhält. Hier spielt das sogenannte „Behindertentestament“ eine zentrale Rolle.
1. Das Behindertentestament: Ein Schutzinstrument
Ein Behindertentestament zielt darauf ab, die Versorgung des behinderten Kindes über den Tod der Eltern hinaus sicherzustellen und gleichzeitig das geerbte Vermögen vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu schützen. Dabei soll das Kind von Vorteilen profitieren, die über die staatlichen Unterstützungsleistungen hinausgehen.
a) Vor- und Nacherbschaft
Eine gängige Gestaltung im Behindertentestament ist die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft. Das behinderte Kind wird dabei als Vorerbe eingesetzt, wobei es nur die Erträge aus dem Nachlass (z.B. Mieteinnahmen) nutzen kann, aber keinen Zugriff auf die Substanz des Erbes hat. Nacherben können andere Familienangehörige oder eine Stiftung sein. Diese Konstruktion verhindert, dass das Sozialamt auf das Erbe zugreift, da das Kind lediglich die Nutzungen des Erbes erhält und nicht die Substanz verwerten kann.
b) Testamentsvollstreckung
Eine wichtige Ergänzung zur Vor- und Nacherbschaft ist die Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Ein Testamentsvollstrecker verwaltet den Nachlass und sorgt dafür, dass das Erbe entsprechend den Wünschen der Eltern verwendet wird. Dies verhindert, dass der Sozialhilfeträger Zugriff auf die Erträge erhält.
Durch eine Verwaltungsanweisung an den Testamentsvollstrecker wird sichergestellt, dass die Erträge in einer Weise dem Kind zugutekommt, die ihm die Sozialleistungen erhält und vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers geschützt ist.
c) Wahl der Erbquote
Bei der Festlegung der Erbquote des Kindes mit Behinderung ist darauf zu achten, dass diese über der Pflichtteilsquote liegt. So wird der Pflichtteilsanspruch vermieden. Da der Pflichtteilsanspruch auf Geldleistungen gerichtet ist, könnte der Sozialhilfeträger diesen Anspruch verwerten.
2. Sozialhilferechtliche Aspekte
Ein wichtiger Punkt bei der Gestaltung des Behindertentestaments sind die sozialhilferechtlichen Rahmenbedingungen. Sozialhilfeempfänger müssen grundsätzlich ihr Vermögen zur Deckung ihres Bedarfs einsetzen. Das Erbe könnte daher als verwertbares Vermögen angesehen werden. Durch die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung lässt sich dieser Zugriff vermeiden.
a) Unverwertbares Vermögen
Das Sozialhilferecht kennt Ausnahmen, bei denen bestimmte Vermögenswerte als unverwertbar gelten. Diese Regelungen sollten bei der Nachlassplanung genutzt werden, indem das Kind aufgrund der Verwaltungsanweisung vom Testamentsvollstrecker nur solche Vermögenswerte erhält, die sozialrechtlich unverwertbar sind.
b) Pflichtteilsverzicht
Falls das Kind volljährig und geschäftsfähig ist, kann es auch auf seinen Pflichtteil verzichten. Dieser Pflichtteilsverzicht sollte gut überlegt und in die Gesamtplanung integriert werden, um sozialhilferechtliche Nachteile zu vermeiden.
3. Gestaltungstipps für das Behindertentestament
- Vor- und Nacherbschaft mit Testamentsvollstreckung: Diese Kombination bietet den sichersten Schutz vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers.
- Erbquote: Die Erbquote sollte über dem Pflichtteil liegen, um Pflichtteilsansprüche und deren Verwertung durch das Sozialamt zu verhindern.
- Befreiung des Vorerben: Eine Teilbefreiung des behinderten Kindes als Vorerben von bestimmten Verfügungsbeschränkungen kann die Handlungsfähigkeit erhöhen, ohne den Sozialhilfeschutz zu gefährden.
- Individuelle Anpassung: Ein Behindertentestament sollte stets an die individuelle familiäre und finanzielle Situation angepasst werden. Vorlagen sollten nicht ohne Anpassung verwendet werden.
Fazit
Ein Behindertentestament ist eine wichtige Maßnahme, um die Versorgung von Kindern mit Behinderung nach dem Tod der Eltern sicherzustellen. Es ermöglicht, das geerbte Vermögen vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu schützen und gleichzeitig das Kind finanziell abzusichern. Die richtige Kombination aus Vor- und Nacherbschaft sowie einer Testamentsvollstreckung bietet dabei den bestmöglichen Schutz. Es ist jedoch wichtig, die rechtlichen und sozialhilferechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig zu prüfen und die Planung individuell anzupassen.