Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat am 9. Februar 2024 eine bedeutende Entscheidung getroffen (Az.: I-10 W 60/23), die sich mit der Wirksamkeit eines eigenhändigen Testaments befasst, dessen Original nicht mehr auffindbar ist. Der Beschluss beleuchtet die Bedingungen, unter denen eine Kopie eines Testaments als Grundlage für die Erbfolge dienen kann, und gibt wichtige Hinweise zu den Anforderungen an den Nachweis eines wirksamen Widerrufs.
Hintergrund des Falls
Der Erblasser verstarb im Jahr 2021 und hinterließ ein handschriftliches Testament aus dem Jahr 2016, das lediglich in Kopie vorlag. In diesem Testament hatte er einen guten Bekannten als Alleinerben eingesetzt und seine Tochter enterbt. Zuvor hatte er im Jahr 1999 ein notarielles Testament errichtet, in dem ein Verein und die damalige Lebensgefährtin des Erblassers bedacht wurden. Diese hatten das Erbe jedoch ausgeschlagen.
Nach dem Tod des Erblassers beantragte sein Bekannter einen Erbschein auf Grundlage des handschriftlichen Testaments. Die Tochter des Erblassers widersprach diesem Antrag und beantragte ihrerseits einen Erbschein als gesetzliche Alleinerbin. Sie argumentierte, dass das handschriftliche Testament nicht mehr wirksam sei, da das Original nicht auffindbar war und der Erblasser dieses in Widerrufsabsicht vernichtet habe.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Wirksamkeit des handschriftlichen Testaments
Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts und stellte fest, dass das handschriftliche Testament wirksam sei, obwohl das Original nicht mehr vorhanden ist:
- Existenz und Inhalt des Testaments: Der als Erbe eingesetzte Bekannte des Erblassers konnte die Existenz und den Inhalt des Testaments durch die vorgelegte Kopie und durch Zeugenaussagen beweisen.
- Keine Widerrufsvermutung: Es besteht keine rechtliche Vermutung, dass ein Testament, dessen Original nicht mehr auffindbar ist, vom Erblasser in Widerrufsabsicht vernichtet wurde. Es obliegt der beweisführenden Partei, hier der Tochter des Erblassers, den Widerruf nachzuweisen, was ihr nicht gelang. Aussagen der Zeugen deuteten zwar darauf hin, dass der Erblasser seine Erbfolge überdachte, jedoch gab es keinen Beweis für eine Widerrufshandlung oder die Errichtung eines späteren Testaments.
Bedeutung der Formvorschriften
Das OLG betonte die Bedeutung der gesetzlichen Formvorschriften bei der Errichtung eines Testaments. Diese Vorschriften dienen der Rechtssicherheit und dem Schutz vor Verfälschungen. Die strengen Anforderungen an den Nachweis der Errichtung eines Testaments oder seines Widerrufs unterstreichen die Wichtigkeit eines klaren und formgerechten Vorgehens bei der Testamentsgestaltung.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Hamm unterstreicht, dass auch bei fehlendem Original eines Testaments dessen Kopie unter bestimmten Umständen als gültig angesehen werden kann. Es ist entscheidend, dass die Existenz und der Inhalt des Testaments zweifelsfrei nachgewiesen werden. Diese Entscheidung bietet Erben und Testatoren eine wichtige Orientierung im Umgang mit handschriftlichen Testamenten und deren möglichen Widerruf.
Zu demselben Ergebnis bin ich in meinem Fachaufsatz „Das verschwundene Testament“ gekommen, welcher 2022 in der Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis veröffentlicht worden ist (ErbR 2022, 111).
Für weitere Fragen zu Testamentsgestaltung und Erbfolge steht Ihnen unsere Kanzlei jederzeit zur Verfügung.