Wann hat eine Berufung Aussicht auf Erfolg?

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 1. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Wenn das erstinstanzliche Urteil anders ausgefallen ist als erhofft, stellt sich die Frage, ob eine Berufung sinnvoll ist. Die Berufung kann nur Erfolg haben, wenn einer der im Gesetz genannten Berufungsgründe vorliegt: die fehlerhafte Rechtsanwendung, unrichtige Tatsachenfeststellungen oder neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel. Nachfolgend werden die relevanten Gründe näher erläutert, um Ihnen eine Vorstellung zu vermitteln, wann eine Berufung Aussicht auf Erfolg hat.

1. Fehlerhafte Rechtsanwendung (§ 513 Abs. 1 ZPO)

Ein häufiger Berufungsgrund ist die fehlerhafte Anwendung des Rechts. Dabei geht es darum, dass das Gericht in der ersten Instanz entweder eine Rechtsnorm nicht oder nicht korrekt angewendet hat. Die Rechtsnorm kann ein Gesetz sein, aber auch eine Verfügung aus einem Testament oder Erbvertrag. Dieser Fehler kann auf mehreren Ebenen auftreten:

  • Anwendungsfehler: Hierbei wurde eine Norm entweder gar nicht oder eine falsche Norm angewendet. Dies kann häufig bei neuen oder geänderten Gesetzen auftreten, bei denen Übergangsvorschriften übersehen wurden.
  • Interpretationsfehler: Die fehlerhafte Auslegung einer Gesetzesvorschrift, eines Testaments oder eines Erbvertrags ist ebenfalls ein typischer Rechtsfehler.
  • Subsumtionsfehler: Das Gericht hat die Tatsachen des Falles falsch den relevanten Normen zugeordnet.

2. Unrichtige Tatsachenfeststellung (§ 513 Abs. 1 ZPO)

Ein weiterer Berufungsgrund ist die unrichtige Feststellung der Tatsachen. Dieser Fehler bezieht sich auf die fehlerhafte Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht in der ersten Instanz. Allerdings reicht nicht aus, nur pauschal zu behaupten, dass das Urteil auf einer falschen Tatsachenbasis beruht. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung begründen.

Voraussetzungen:

  • Konkrete Anhaltspunkte: Es müssen deutliche Hinweise auf Fehler in der Beweisaufnahme oder Beweiswürdigung vorhanden sein.
  • Relevanz: Die fehlerhafte Tatsachenfeststellung muss für das Urteil entscheidend gewesen sein.

Beispiel:

In einem Fall, in dem ein Sachverständigengutachten zur Testierunfähigkeit des Erblassers unzureichend war oder das Gericht relevante Zeugen nicht gehört hat, kann eine Berufung erfolgreich sein. Auch widersprüchliche Gutachten, die nicht ausreichend gewürdigt wurden, sind oft Anlass für eine erneute Überprüfung in der Berufungsinstanz.

3. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 513 Abs. 1 ZPO)

In Ausnahmefällen ist es möglich, in der Berufungsinstanz neue Beweismittel oder Argumente einzuführen. Diese müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen:

  • Verspätung ohne Verschulden: Der Partei muss es unmöglich gewesen sein, das neue Beweismittel rechtzeitig in der ersten Instanz vorzubringen. Gründe dafür können sein, dass das Beweismittel erst nach Abschluss der ersten Instanz entdeckt wurde oder die Bedeutung des Beweismittels erst später erkannt wurde.
  • Relevanz für den Ausgang des Verfahrens: Das neue Beweismittel muss entscheidend für die rechtliche Beurteilung des Falles sein.

Beispiel:

Wenn ein neu aufgefundenes Testament nach dem erstinstanzlichen Urteil ans Licht kommt und dieses den gesamten Erbfall ändert, wäre dies ein typischer Fall, in dem ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufung zugelassen wird.

Fazit

Eine Berufung hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn einer der oben genannten Gründe vorliegt. Es ist wichtig, die Berufung präzise und konkret zu begründen, um das Berufungsgericht davon zu überzeugen, dass das erstinstanzliche Urteil auf einem Fehler beruht. Unsere Kanzlei steht Ihnen zur Seite, um Ihre Erfolgsaussichten zu prüfen und die Berufung bei Erfolgsaussicht durchzuführen.

Siehe dazu: Berufung gegen erbrechtliches Urteil

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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