Wie erfahre ich, ob ein Grundstück verkauft oder verschenkt wurde?

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 12. Juni 2017 von Tobias Goldkamp

Themen: Erbrechtliche Ansprüche

War der Erblasser Eigentümer eines Grundstücks, hat der Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf Grundbucheinsicht. Das Einsichtsrecht umfasst, Abschriften von notariellen Verträgen zu erhalten, mit denen das Grundstück veräußert wurde.

Das OLG Karlsruhe führte zu einem Fall, in dem die Mutter des Pflichtteilsberechtigten verstorben war, aus:

„Der Antragsteller hat nach § 12 Absatz 1 GBO Anspruch darauf, dass ihm ein Grundbuchauszug erteilt und eine Abschrift des Kaufvertrages überlassen wird, in dessen Vollzug seine Mutter das Eigentum an dem Grundbesitz verloren hat.

1. Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten ist gemäß § 12 Absatz 1 und 2 GBO zu gewähren, wenn ein berechtigtes Interesse dargetan ist. Bei der Auslegung des Begriffs des berechtigten Interesses ist einerseits zu berücksichtigen, dass § 12 GBO in erster Linie nicht einen Geheimnisschutz bezweckt, sondern auf eine Publizität zielt, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Auf der anderen Seite ist das Grundbuchamt gehalten, das Vorliegen eines berechtigten Interesses genau zu prüfen, um Einsichtnahmen zu verhindern, durch die das schutzwürdige Interesse Eingetragener, Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse zu gewähren, verletzt werden könnte. Danach ist das berechtigte Interesse umfassender als ein rechtliches Interesse und setzt anders als dieses nicht voraus, dass schon ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem im Grundbuch Eingetragenen und demjenigen, der die Grundbucheinsicht beantragt, besteht. Dabei genügt zwar nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers, jedoch reicht es aus, wenn er ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse in glaubhafter Weise darlegt, wozu auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse gehört. Entscheidend ist in der Regel letztlich das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. In Zweifelsfällen sind auch die Umstände in die Abwägung einzubeziehen, dass der in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffene grundsätzlich vor der Gewährung der Einsicht nicht gehört wird und ihm gegen die Gewährung auch kein Beschwerderecht zusteht (OLG Düsseldorf BeckRS 2010, 26117 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen steht dem Pflichtteilsberechtigten nach dem Tode des Erblassers grundsätzlich ein Recht auf Grundbucheinsicht zu, das aus seiner Gläubigerstellung gegenüber den Erben folgt (vgl. etwa OLG München FamRZ 2013, 1070, juris-Rn. 8; ähnliche Konstellation bei LG Stuttgart ZEV 2005, 313, juris-Rn. 9; BeckOK/Wilsch, GBO, Edition 18, § 12, Rn. 60 m. w. N.; Demharter, GBO, 28. Auflage, § 12 Rn. 12; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage, Rn. 525 [S. 249]). Das kann auch gelten, wenn der Erblasser das Grundstück noch zu Lebzeiten veräußert hatte; in diesem Falle hat er nämlich einen Pflichtteilsergänzungsanspruch, sofern die Veräußerung vollständig oder teilweise aufgrund einer Schenkung erfolgte (§ 2325 BGB; zur Anwendung dieser Vorschrift bei gemischten Schenkungen vgl. etwa BeckOK/J. Mayer, Edition 27, § 2325, Rn. 22).

Soweit Maaß (in: Bauer/von Oefele, GBO, 3. Auflage, § 12, Rn. 38) abweichend hiervon die Auffassung vertritt, der Pflichtteilsberechtigte sei auf seine Auskunftsansprüche gegen Erben und Beschenkte beschränkt und könne daher keine Grundbucheinsicht verlangen, vermag dies nicht zu überzeugen. § 12 GBO ist eine Einschränkung des Einsichtsrechts auf Fälle, in denen die benötigte Auskunft nicht anderweitig – etwa durch Einholung der Auskünfte Dritter – erlangt werden kann, nicht zu entnehmen. Zudem kann der Pflichtteilsberechtigte gerade ein berechtigtes Interesse daran haben, die Richtigkeit einer ihm erteilten Auskunft durch eigene Einsichtnahme in das Grundbuch zu überprüfen.

2. Unter Anlegung dieses Maßstabs ist dem Antragsteller ein Grundbuchauszug zu erteilen und eine Abschrift der Eintragungsunterlage auszuhändigen, aufgrund derer seine Mutter das Eigentum an dem Grundstück verloren hat.

a) Der Antragsteller gehört als Sohn der Erblasserin nach § 2303 Absatz 1 Satz 1 BGB zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten. Sollte seine Mutter das Eigentum an dem Grundstück aufgrund einer (gemischten) Schenkung verloren haben, kommt ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 Absatz 1 BGB) daher grundsätzlich in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet oder es sonst verloren haben könnte, gibt es nicht; eine Verjährung kommt angesichts dessen, dass die Erblasserin erst im Januar 2013 verstorben ist, nicht in Betracht.

b) Soweit der Antragsteller zunächst gegenüber dem Grundbuchamt geltend gemacht hatte, er sei gesetzlicher Erbe geworden, hat er in der Stellungnahme zu dem Abhilfebeschluss mittlerweile klargestellt, dass zwischenzeitlich ein Testament bekannt geworden sei und er sich daher (nur) noch als Pflichtteilsberechtigter ansehe. Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben bestehen nicht.

c) Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts kann die Einsichtnahme nicht mit der Begründung versagt werden, dass es an konkreten Anhaltspunkten für eine (Teil-) Unentgeltlichkeit des Geschäfts mangele, vielmehr die Entgeltlichkeit wegen der Beteiligung eines Maklers vermutet werde. Ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Einsicht ergibt sich bereits aus seiner Stellung als Pflichtteilsberechtigter und dem Umstand, dass ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung grundsätzlich bei einer teilunentgeltlichen Veräußerung in Betracht käme. Es muss dem Antragsteller gestattet sein, selbst zu prüfen, ob es unter Berücksichtigung des Zustandekommens des Geschäfts und der vereinbarten Gegenleistung Anhaltspunkte für eine teilunentgeltliche Übertragung gibt. Eine solche Prüfung wird ihm als Angehöriger der Erblasserin auch eher möglich sein als dem Grundbuchamt, weil er nach Einsichtnahme voraussichtlich wird beurteilen können, ob es sich bei dem Erwerber um eine der Erblasserin bekannte Person handelte und ob der vereinbarte Kaufpreis der Lage, dem Zustand und der Ausstattung der Wohnung entsprach. Die Einsichtnahme in das Grundbuchamt kann zudem Ausgangspunkt für die Prüfung der Frage sein, ob der vereinbarte Kaufpreis der Erblasserin tatsächlich in voller Höhe zugeflossen und ggf. wo er verblieben ist.

d) Bei der Entscheidung über die Gewährung der Einsicht und somit bei der Auslegung des Begriffs des berechtigten Interesses muss das Recht der von der Einsicht Betroffenen – namentlich des Eigentümers – auf informationelle Selbstbestimmung berücksichtigt werden, da das Grundbuch und insbesondere die Grundakten familiäre, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse der Beteiligten offenbaren können. Das führt aber im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung. Der Erwerber, der das Grundstück nicht allzu lange Zeit vor dem Tod der Erblasserin erworben hat, muss es hinnehmen, dass erbrechtliche Beteiligte über die Grundbucheinsicht das Bestehen etwaiger Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erbfall prüfen. Seine persönlichen Verhältnisse werden auf diese Weise nur einem vergleichsweise kleinen Kreis außerhalb des Verkaufsvertrags stehender Beteiligter bekannt.

3. Das berechtigte Interesse des Antragstellers erstreckt sich auf die Erteilung eines alle Abteilungen umfassenden Grundbuchauszugs. Zur Prüfung der Frage, welchen Wert der Grundbesitz hat und ob der Kaufpreis dahinter zurückgeblieben ist, kommt es auch auf die Kenntnis etwaiger Belastungen des Grundbesitzes an, so dass auch ein die Abteilungen II und III umfassender Auszug verlangt werden kann (vgl. KG NJW-RR 2004, 1316, juris-Rn. 4).

4. Soweit der Antragsteller ohne hinreichende Trennung zwischen dem schuldrechtlichen Vertrag und dessen sachenrechtlicher Abwicklung darauf angetragen hat, eine Kopie des Vertrages zu erhalten, „mit welchem die Verstorbene (…) Eigentum verloren hat“, ist dies interessengerecht dahin auszulegen, dass eine Kopie des Kaufvertrages begehrt wird, aufgrund dessen eine Erwerbsvormerkung eingetragen worden ist und der Grundlage für die spätere Bewilligung der Eigentumsumschreibung durch den hierzu bevollmächtigten Notar war (As. 49). Der Antrag ist auch insoweit begründet, weil der Antragsteller aus den zuvor ausgeführten Gründen ein berechtigtes Interesse daran hat, sich Kenntnis über die bei Veräußerung des Grundstücks durch seine Mutter vereinbarten Bedingungen zu verschaffen.“

(OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. September 2013 – 11 Wx 57/13 –, Rn. 18, juris)

Tobias Goldkamp

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131-718190

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