Von uns erstritten: OLG Düsseldorf lässt Beweissicherung während laufendem Rechtsstreit zu

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 13. August 2024 von Tobias Goldkamp

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat am 8. April 2024 (Az.: I-7 W 20/24) in einer bedeutenden Entscheidung klargestellt, dass ein Pflichtteilsberechtigter durch ein selbständiges Beweisverfahren den Zustand und den Wert eines Hausgrundstücks feststellen lassen kann, und zwar auch parallel zu einer anhängigen Pflichtteilsstufenklage. Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Pflichtteilsberechtigten erheblich, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass Beweismittel durch den Zeitablauf verloren gehen oder ihre Nutzung erschwert wird.

Hintergrund des Falls

Im zugrunde liegenden Fall stritt unsere Mandantin, eine Tochter der Erblasserin, mit ihrem Bruder, dem Erben, um ihren Pflichtteilsanspruch. Der Nachlass umfasste unter anderem ein bebautes Grundstück sowie ein unbebautes Grundstück. Um zu ermitteln, welchen Wert die Grundstücke zum maßgeblichen Stichtag, dem Todestag der Erblasserin, hatten, beantragten wir, ein selbständiges Beweisverfahren. Denn es bestand die Gefahr, dass sich der Zustand der Immobilie im Laufe des langwierigen Hauptsacheverfahrens ändern könnte, was die Beweisführung erschweren würde.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf entschied zugunsten unserer Mandantin und erlaubte das selbständige Beweisverfahren trotz der bereits anhängigen Pflichtteilsstufenklage. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

  1. Gefahr der Beweiserschwernis: Bei bebauten Grundstücken besteht die Besorgnis, dass sich deren Zustand durch Renovierungen, Sanierungen oder andere Veränderungen im Laufe der Zeit erheblich ändern kann. Um diese Beweiserschwernis zu verhindern, sei es notwendig, frühzeitig ein Gutachten zu erstellen, das den Zustand und den Wert des Grundstücks zum Todeszeitpunkt der Erblasserin dokumentiert.
  2. Abgrenzung zum unbebauten Grundstück: Im Gegensatz dazu sah das Gericht für das unbebaute Grundstück keine Gefahr der Beweiserschwernis, da sich dessen wesentliche Bewertungsgrundlagen wie Lage und Größe nicht verändern. Deshalb beschränkte das Gericht den die Beweissicherung auf das bebaute Grundstück.
  3. Recht auf Beweissicherung: Das OLG Düsseldorf stellte klar, dass ein Pflichtteilsberechtigter auch dann ein rechtliches Interesse an der Beweissicherung hat, wenn eine Pflichtteilsstufenklage bereits anhängig ist. Die Besorgnis, dass Beweismittel im Laufe des Verfahrens verloren gehen oder ihre Nutzung erschwert wird, rechtfertigt die parallele Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens.

Fazit und Bedeutung der Entscheidung

Diese Entscheidung des OLG Düsseldorf hat weitreichende Auswirkungen für Pflichtteilsberechtigte. Sie ermöglicht es, parallel zur Pflichtteilsstufenklage Beweismittel zu sichern, insbesondere wenn Veränderungen an Nachlassgegenständen drohen. Dies stärkt die Position von Pflichtteilsberechtigten erheblich und stellt sicher, dass ihre Ansprüche durch den Zeitablauf nicht beeinträchtigt werden.

Wenn Sie Fragen zu Pflichtteilsansprüchen, der Durchführung von Beweisverfahren oder anderen erbrechtlichen Themen haben, steht Ihnen unsere Kanzlei mit ihrer Expertise im Erbrecht gerne zur Verfügung.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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