Pflichtteil – Wie wird er besteuert?

Der Pflichtteil ist ein zentraler Aspekt des deutschen Erbrechts und bietet bestimmten nahen Angehörigen eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Doch wie wird dieser Pflichtteil steuerlich behandelt? In diesem Beitrag erläutern wir die wesentlichen Grundsätze der Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs und geben Ihnen wertvolle Gestaltungshinweise.

1. Was ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil ist ein gesetzlicher Anspruch auf eine Geldabfindung, bemessen nach einem bestimmten Anteil am Nachlass des Erblassers. Er steht nahen Angehörigen wie Kindern, Ehegatten und in einigen Fällen den Eltern des Erblassers zu. Der Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn der Berechtigte in einem Testament übergangen oder nur unzureichend bedacht wurde.

Ein häufiger Fall des Pflichtteils ist, dass ein Ehegatte stirbt und in einem Berliner Testament den anderen Ehegatten zum Alleinerben eingesetzt hat. Sind Kinder vorhanden, steht ihnen der Pflichtteil zu – auch wenn sie für den Schlusserbfall nach dem zweiten Ehegatten als Schlusserben eingesetzt sind.

2. Steuerliche Behandlung des Pflichtteils

a) Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs

Der Erwerb des Pflichtteils unterliegt der Erbschaftsteuer gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Entscheidend ist dabei, dass die Steuerpflicht nicht mit dem Erbfall, sondern erst mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs entsteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG). Das bedeutet, dass der Pflichtteilsberechtigte selbst entscheidet, wann die Steuerpflicht eintritt, indem er den Anspruch geltend macht.

Hinweis: Wann Pflichtteilszahlung beansprucht wird, ist eine taktische Frage. Früh Zahlung zu verlangen hat den Vorteil, dass Verzugszinsen entstehen, wenn der Erbe die Zahlung schuldhaft verzögert. Nachteil ist, dass die Erbschaftsteuer fällig werden kann bevor die Zahlung erfolgt ist. Ist ein innerhalb des Freibetrags liegender Pflichtteil zu erwarten (bei Kindern bis 400.000 Euro), spricht dies dafür, den Pflichtteil möglichst früh geltend zu machen. Das ist auch unbeziffert möglich, wenn die genaue Höhe noch unbekannt ist. Es können dann trotzdem Verzugszinsen entstehen, wenn der Erbe die Größenordnung erkennen kann und trotzdem nicht zahlt. Die Verzugszinsen betragen fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszins.

b) Bemessungsgrundlage und Freibeträge

Die Steuer wird auf den Geldbetrag erhoben, der sich aus der Pflichtteilsquote und dem Wert des Nachlasses ergibt. Für den Pflichtteilsberechtigten gelten dabei die persönlichen Freibeträge nach § 16 und § 17 ErbStG, wie sie auch für Erben gelten. Es gibt keine erbschaftsteuerlichen Sonderregelungen für den Pflichtteil, was bedeutet, dass Pflichtteilsberechtigte keine speziellen Vergünstigungen in Anspruch nehmen können.

3. Gestaltungshinweise zur Steueroptimierung

a) Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs durch Grundstücke

Häufig wird der Pflichtteilsanspruch durch die Übertragung von Grundstücken erfüllt. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten: Erfolgt die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs durch die Übertragung eines Grundstücks, kann dies zusätzlich zur Erbschaftsteuer eine Grunderwerbsteuer auslösen. Denn die Übertragung eines Grundstücks zur Erfüllung des Pflichtteils wird steuerrechtlich als Rechtsgeschäft unter Lebenden gewertet, was grunderwerbsteuerpflichtig ist.

b) Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch gegen Abfindung

Eine steuerlich vorteilhafte Alternative zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs durch Grundstücksübertragung ist der Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch gegen Abfindung. Wenn der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Anspruch verzichtet und dafür eine Abfindung erhält, die in der Übertragung eines Grundstücks besteht, gilt dieses Grundstück als vom Erblasser zugewendet und fällt somit nicht unter die Grunderwerbsteuer. Zudem wird das Grundstück in diesem Fall für die Erbschaftsteuer mit dem Grundbesitzwert angesetzt, was die Steuerlast reduziert, sofern der Grundbesitzwert niedriger ist als der Pflichtteil.

c) Anpassung des Erbschaftsteuerbescheids

Für den Erben ist der Pflichtteil eine Verbindlichkeit, die er bei der Berechnung seiner Erbschaftsteuer mindernd berücksichtigen kann. Wird der Pflichtteilsanspruch erst nach der Festsetzung der Erbschaftsteuer geltend gemacht, kann der Erbe eine Anpassung des Erbschaftsteuerbescheids beantragen. Dies ermöglicht es, die Pflichtteilsschuld als Nachlassverbindlichkeit geltend zu machen und dadurch die Steuerlast des Erben zu verringern. Die Frist für die Beantragung einer solchen Änderung beträgt vier Jahre ab dem Kalenderjahr, in dem der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wurde.

4. Fazit

Die Besteuerung des Pflichtteils ist komplex und bietet verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Optimierung der Steuerlast. Pflichtteilsberechtigte sollten sich frühzeitig über die steuerlichen Folgen ihrer Entscheidungen informieren. Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, die steuerlichen Auswirkungen Ihrer Pflichtteilsansprüche optimal zu gestalten und unvorhergesehene Steuerlasten zu vermeiden. Vereinbaren Sie ein Beratungsgespräch, um Ihre individuelle Situation zu besprechen.

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