Bewertungen im Erbrecht: Welche Methoden gibt es?

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 21. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Die Bewertung von Nachlassgegenständen ist ein zentraler Bestandteil des Erbrechts, da sie häufig im Rahmen von Pflichtteilsansprüchen, Erbengemeinschaften oder Zugewinnausgleichen notwendig ist. Für die Ermittlung des Nachlasswertes gibt es verschiedene Bewertungsmethoden, die jeweils abhängig von der Art des Vermögens und den individuellen Umständen des Falls sind. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Bewertungsmethoden im Erbrecht vorgestellt.

1. Bewertungsanlässe im Erbrecht

Bewertungen im Erbrecht sind insbesondere in folgenden Fällen notwendig:

  • Pflichtteilsrecht: Zur Berechnung des Pflichtteilsanspruchs muss der Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls bestimmt werden (§ 2311 BGB). Auch Schenkungen, die zu Lebzeiten des Erblassers erfolgt sind, müssen bewertet werden.
  • Erbengemeinschaft: Bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft müssen Nachlassgegenstände bewertet werden, um Ausgleichsansprüche festzustellen.
  • Zugewinnausgleich: Der längerlebende Ehegatte hat unter bestimmten Umständen Anspruch auf einen Zugewinnausgleich, der ebenfalls eine Bewertung der Nachlassgegenstände erfordert (§ 1371 BGB).

2. Grundsätze der Wertermittlung

a) Stichtagsprinzip

Der maßgebliche Stichtag für die Bewertung ist im Pflichtteilsrecht der Todestag des Erblassers. Der Wert des Nachlasses muss zu diesem Zeitpunkt ermittelt werden, um den Pflichtteilsanspruch korrekt zu berechnen. Wertsteigerungen oder Wertverluste, die nach dem Tod des Erblassers eintreten, sind nicht zu berücksichtigen.

Hingegen ist für die Auseinandersetzung des Nachlasses zwischen den Miterben der jeweils aktuelle Wert maßgeblich. Dieser kann sich vom Wert zum Todeszeitpunkt unterscheiden, insbesondere, wenn sich die Erbauseinandersetzung lange hinzieht.

b) Tatsächlich erzielter Verkaufspreiserlös

Wenn Nachlassgegenstände zeitnah zum Bewertungsstichtag verkauft werden, kann der erzielte Verkaufspreis als Grundlage für die Bewertung dienen. Ein echter Verkaufspreis wird von der Rechtsprechung als belastbarer eingeschätzt als ein Wertgutachten.

c) Schätzung

In vielen Fällen wird der Wert von Nachlassgegenständen durch einen Gutachter geschätzt. Dies ist insbesondere bei Immobilien, Unternehmen oder anderen Vermögensgegenständen von hoher Komplexität notwendig.

3. Bewertungsmethoden von Unternehmen

Für die Bewertung von Unternehmen, die Teil des Nachlasses sind, gibt es mehrere anerkannte Methoden:

  • Ertragswertverfahren: Diese Methode basiert auf den zukünftigen Erträgen des Unternehmens. Der Wert wird durch die Kapitalisierung der zu erwartenden Gewinne ermittelt.
  • DCF-Methode (Discounted Cash Flow): Hierbei wird der Unternehmenswert durch die Abzinsung der zukünftigen Cashflows ermittelt.
  • Substanzwertverfahren: Diese Methode betrachtet den Wert der vorhandenen materiellen und immateriellen Vermögenswerte des Unternehmens.
  • Liquidationswert: Der Liquidationswert wird zugrunde gelegt, wenn das Unternehmen aufgelöst und die Vermögenswerte verkauft werden sollen.

4. Besonderheiten bei der Bewertung von Grundstücken

Auch bei der Bewertung von Grundstücken gibt es verschiedene Ansätze, je nach Art des Grundstücks:

  • Vergleichswertverfahren: Hierbei wird der Wert eines Grundstücks auf Basis vergleichbarer Verkäufe ermittelt.
  • Ertragswertverfahren: Bei vermieteten Immobilien wird der Wert auf Basis der erzielten Mieteinnahmen berechnet.
  • Sachwertverfahren: Dieses Verfahren wird angewendet, wenn keine Vergleichswerte oder Mieteinnahmen vorliegen. Der Wert wird auf Basis der Herstellungskosten und des Alters des Gebäudes ermittelt.

5. Sonstige Nachlassgegenstände

Neben Immobilien und Unternehmen können auch andere Nachlassgegenstände bewertet werden, wie z.B. Bankguthaben, Aktien, Lebensversicherungen, Kunstgegenstände, Schmuck oder Fahrzeuge. Auch hier sind verschiedene Bewertungsmethoden anwendbar, je nach Art des Vermögensgegenstands und den Marktgegebenheiten.

Fazit

Die Bewertung von Nachlassgegenständen ist ein komplexer Prozess, der je nach Art des Vermögens und den spezifischen Umständen unterschiedliche Methoden erfordert. Eine genaue und korrekte Bewertung ist jedoch entscheidend, um Pflichtteilsansprüche, Zugewinnausgleiche oder die Auflösung von Erbengemeinschaften fair und rechtssicher zu regeln. Sollten Sie Fragen zu Bewertungsverfahren im Erbrecht haben oder eine fachkundige Beratung benötigen, steht Ihnen unsere Kanzlei gerne zur Verfügung.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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