In seinem Urteil vom 10. April 2024 (Az. II R 22/21) hat der BFH wichtige Grundsätze zur steuerlichen Behandlung von Werterhöhungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Zusammenhang mit unentgeltlichen oder teilentgeltlichen Zuwendungen festgelegt. Es handelt sich um eine richtungsweisende Entscheidung zur Schenkungsteuer, die für Gesellschafter von Kapitalgesellschaften von hoher Bedeutung ist.
1. Sachverhalt
Im vorliegenden Fall veräußerten die Miterben eines Nachlasses gemeinschaftlich einen Geschäftsanteil an einer GmbH an diese GmbH. Der Wert des Geschäftsanteils belief sich nach einer Unternehmensbewertung auf etwa 1.819.176 €. Der vereinbarte Kaufpreis für den Geschäftsanteil betrug jedoch nur 300.000 €. Das Finanzamt ging aufgrund dieser Differenz von einer Schenkung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG (Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz) zugunsten der übrigen Gesellschafter aus. Indem die GmbH einen eigenen Anteil erwarb, stieg der Wert der übrigen Anteil an der GmbH.
2. Rechtliche Einordnung
Der BFH entschied, dass die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis und dem gemeinen Wert der Anteile eine Schenkung im Sinne von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG darstellt. Diese Vorschrift erfasst nicht nur freigebige Zuwendungen, sondern fingiert auch eine Schenkung, wenn durch eine Leistung an eine Kapitalgesellschaft der Wert der Anteile eines Gesellschafters steigt.
a) Werterhöhung als Schenkung
Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt eine Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft durch die Leistung eines anderen Gesellschafters oder Dritten als Schenkung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Leistung als freigebig betrachtet werden kann, wie es bei der klassischen Schenkung der Fall ist. Entscheidend ist allein, dass eine Wertsteigerung der Anteile bei einem Gesellschafter eintritt.
b) Ermittlung der Bereicherung
Der gemeine Wert der Anteile vor und nach der Leistung ist nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) zu ermitteln. Der BFH stellte fest, dass der Wertunterschied zwischen dem festgestellten Unternehmenswert (1.819.176 €) und dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis (300.000 €) als Bereicherung gilt und daher der Schenkungsteuer unterliegt. Der Anteil der Werterhöhung, der auf die übrigen Gesellschafter entfällt, bildet die Grundlage für die Besteuerung.
3. Keine Steuerbegünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG
Eine zentrale Frage war, ob die Verschonungsregelungen nach §§ 13a, 13b ErbStG anwendbar sind. Diese Bestimmungen gewähren Steuervergünstigungen für unternehmerisches Vermögen. Der BFH entschied jedoch, dass die Werterhöhung eines Anteils, der durch eine Zuwendung an die Gesellschaft erfolgt, nicht als begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b ErbStG gilt. Daher kommen die Steuervergünstigungen in diesem Fall nicht zur Anwendung.
4. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des BFH verdeutlicht, dass selbst dann, wenn eine Leistung an eine Gesellschaft nicht freigebig ist, die daraus resultierende Werterhöhung bei den übrigen Gesellschaftern als Schenkung steuerpflichtig sein kann. Dies kann insbesondere bei disquotalen Einlagen oder teilentgeltlichen Verkäufen von Gesellschaftsanteilen relevant werden.
Wichtige Hinweise für Gesellschafter
Gesellschafter sollten sich der möglichen steuerlichen Konsequenzen bewusst sein, wenn durch Transaktionen innerhalb der Gesellschaft oder zwischen Gesellschaftern eine Werterhöhung der Anteile eintritt. Auch wenn keine direkte Schenkung vorliegt, kann Schenkungsteuer ausgelöst werden, wenn der Wert der Anteile durch die Leistung eines anderen Gesellschafters steigt.
5. Fazit
Die Entscheidung des BFH zur Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft hat weitreichende Bedeutung für die Schenkungsteuer. Sie zeigt, dass auch indirekte Wertsteigerungen von Anteilen steuerlich erfasst werden können. Gesellschafter sollten sich über die Konsequenzen solcher Transaktionen im Klaren sein und gegebenenfalls steuerliche Beratung in Anspruch nehmen.