Gerichtstermin per Videokonferenz – § 128a ZPO

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 13. Dezember 2024 von Tobias Goldkamp

Seit der Einführung des § 128a ZPO im Jahr 2002 haben deutsche Zivilgerichte die Möglichkeit, Verhandlungen und Beweisaufnahmen per Videokonferenz durchzuführen. Diese Regelung, die ursprünglich selten genutzt wurde, gewann durch die COVID-19-Pandemie erheblich an Bedeutung und hat das Potenzial, den Zivilprozess langfristig zu verändern. Der Einsatz der Videokonferenz soll Prozesse effizienter gestalten, Kosten und Zeit sparen sowie die Zugänglichkeit der Justiz erhöhen.

1. Überblick über § 128a ZPO

Nach § 128a ZPO kann das Gericht den Parteien und deren Vertretern gestatten, an einem anderen Ort als im Gerichtssaal zu bleiben und von dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird dann zeitgleich in Bild und Ton an beide Orte übertragen. Auch Zeugen und Sachverständige können auf Antrag per Videokonferenz vernommen werden.

Technische Voraussetzungen

Die Übertragung muss wechselseitig erfolgen, sodass alle Beteiligten sich in Bild und Ton sehen und hören können. Die Teilnahme an der Verhandlung von einem anderen Ort aus ist nur möglich, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Zwar werden Verhandlungen und Beweisaufnahmen übertragen, jedoch erfolgt keine Aufzeichnung der Sitzung.

2. Antrag oder Anordnung von Amts wegen

Eine Videokonferenz kann sowohl auf Antrag einer Partei als auch von Amts wegen angeordnet werden. Das Gericht entscheidet im Rahmen seines Ermessens, ob eine Videokonferenz durchgeführt wird. Dies bedeutet, dass ein Antrag der Parteien nicht zwingend zur Anordnung führt. Das Gericht kann jedoch auch ohne Antrag der Parteien eine Videokonferenz anordnen, wenn es dies für prozessökonomisch hält.

3. Anwendungsbereiche und Vorteile

Videokonferenzen können in allen Verfahrensarten nach der ZPO durchgeführt werden. Besonders während der Pandemie hat sich gezeigt, dass die Videotechnik den Zivilprozess beschleunigen kann. Gerichtstermine, die früher aufgrund der Anreise von Parteien oder Zeugen verschoben werden mussten, können nun flexibler durchgeführt werden. Auch in Fällen, in denen ein persönliches Erscheinen nicht möglich oder unzumutbar ist, bietet die Videokonferenz eine gute Alternative.

Beispiele für Anwendungsbereiche:

  • Parteien, die an entfernten Orten leben, können an Verhandlungen teilnehmen, ohne reisen zu müssen.
  • Sachverständige oder Zeugen, die in anderen Städten oder sogar Ländern leben, können per Videokonferenz vernommen werden.

4. Grenzen des § 128a ZPO

Trotz der vielen Vorteile gibt es auch Grenzen und Herausforderungen bei der Durchführung von Videokonferenzen. Technische Störungen können den Ablauf beeinträchtigen, und das Gericht muss sicherstellen, dass die Verhandlung fair abläuft. Die Regelung sieht vor, dass die Übertragung der Verhandlung nicht aufgezeichnet wird, um den Datenschutz der Beteiligten zu gewährleisten.

Unmittelbarkeit der Verhandlung

Ein häufiger Kritikpunkt ist der Verlust der Unmittelbarkeit. Zwar ist durch die Videoübertragung der Grundsatz der Simultanität gewahrt, jedoch kann der persönliche Eindruck, den Parteien, Zeugen oder Sachverständige bei einer physischen Anwesenheit hinterlassen, durch die Kamera verfälscht werden.

5. Rechtspolitische Diskussionen

Durch die wachsende Bedeutung von Videokonferenzen im Zivilprozess gibt es zahlreiche Diskussionen über die zukünftige Entwicklung dieser Vorschrift. Es wird überlegt, die Pflicht zur Teilnahme an Videokonferenzen auszuweiten und das Ermessen des Gerichts stärker zu reglementieren. Auch die Einführung von Pilotprojekten für vollständig virtuelle Gerichtsverhandlungen wird diskutiert.

Fazit

Der Einsatz von Videokonferenzen nach § 128a ZPO hat sich besonders in Krisenzeiten als effektives Mittel erwiesen, um die Funktionsfähigkeit der Justiz aufrechtzuerhalten. Auch in Zukunft dürfte der Zivilprozess zunehmend digitalisiert werden. Dabei bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf die aktuellen Herausforderungen reagiert und ob die Regelungen weiter angepasst werden, um den modernen Anforderungen gerecht zu werden.

Unterstützung durch unsere Kanzlei

Sollten Sie in einem Zivilprozess involviert sein und eine Teilnahme an einem Termin durch Bild- und Tonübertragung in Betracht ziehen, beraten wir Sie gerne über die Möglichkeiten und unterstützen Sie bei der Antragstellung, Vorbereitung und Durchführung dieses Vorhabens.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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