Schlägt der pflichtteilsberechtigte Erbe aus, um gegenüber dem verbliebenen Erben den Pflichtteil geltend zu machen, muss er nicht die Ausschlagung unaufgefordert nachweisen, um den verbliebenen Erben in Verzug zu setzen. Befindet sich der Erbe hinsichtlich der Auskunft in Verzug, kann der Pflichtteilsberechtigte unmittelbar Stufenklage erheben und ist nicht gehalten, den Erben hinsichtlich des Zahlungsanspruches gesondert in Verzug zu setzen.
Diese Grundsätze bestätigte das LG Konstanz in einem von uns erstrittenen Urteil von 27.08.2014, Az. 3 O 384/13:
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Ziff. 1 Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 18.441,14 € ab dem 10.01.2014 bis einschließlich 11.06.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Ziff. 2 Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 18.441,14 € ab dem 10.01.2014 bis einschließlich 11.06.2014 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Mitgläubiger 1.253,78 € vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu bezahlen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 36.882,28 € festgesetzt.
Tatbestand
Nach Erledigung der Hauptsache streiten die Parteien noch über Zinsen und Kosten der Rechtsverfolgung.
Die Kläger haben zur Durchsetzung eines Pflichtteilsanspruchs im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangt. Die beklagte Erbin hat den Auskunftsanspruch unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt und nach Erlass eines Anerkenntnisurteils die geforderte Auskunft erteilt; die Kläger haben sodann den Zahlungsanspruch mit jeweils 18.441,14 € beziffert und klageweise geltend gemacht. Nachdem die Beklagte die geforderten Zahlungen geleistet hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Kläger beanspruchen noch die Kosten der gerichtlichen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgung sowie Prozesszinsen.
Die Kläger sind die einzigen Söhne des am 23. April 2013 verstorbenen Erblassers. Dieser hatte durch letztwillige Verfügung seine dritte Ehefrau, die Beklagte, zur Vor-, die Kläger zu Nacherben eingesetzt. Durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht Neuss vom 17. .Juli 2013, beim Nachlassgericht Konstanz – Notariat Konstanz II – eingegangen am 23. Juli 2013, schlugen die Kläger die Erbschaft aus (K 3 /AS 57; K 4 /AS 63). Mit Schreiben vom 16. Juli 2013 hatten die Kläger die Beklagten von der bevorstehenden Ausschlagung unterrichtet und unter Hinweis auf § 2314 BGB Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangt; Art, Inhalt und Umfang der geforderten Auskunft wurden erläutert; das unstreitig zugegangene Schreiben schließt wie folgt:
„Wir bitten Dich, uns das schriftliche Nachlassverzeichnis bis spätestens zum 30. September 2013 zukommen zu lassen. Wir müssen Dich darauf hinweisen, dass Du die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses nötigenfalls eidesstattlich zu versichern haben wirst“ (K2 /AS 55).
Die Beklagte ließ diese Frist verstreichen. Am 14. Oktober 2013 meldeten sich indes die von ihr beauftragten Rechtsanwälte X; sie erklärten, dass sie die Sach- und Rechtslage prüfen würden und innerhalb der kommenden zwei Wochen auf den Vorgang zurückkämen (K5 l AS 65). Als die angekündigte Reaktion ausblieb, wandten sich die Kläger am 27. November 2013 an ihren Prozessbevollmächtigten. Ob ein von diesem mit Fax vom 28. November 2013 den Rechtsanwälten X übersandtes Schreiben, in dem unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 16. Juli 2013 erneut Auskunft verlangt und eine Nachfrist bis 5. Dezember 2013 gesetzt wurde, der Beklagtenseite zuging, ist streitig.
Die am 16. Dezember 2013 beim Landgericht Konstanz eingegangene Stufenklage ist der Beklagten am 9. Januar 2014 zugestellt worden.
Die Kläger sind der Auffassung, dass sich die Beklagte bei Mandatierung ihres Prozessbevollmächtigten in Verzug befunden habe; die vorgerichtlichen Anwaltsgebühren seien deshalb als Kosten ordnungsgemäßer Rechtsverfolgung zu ersetzen. Auch schulde die Beklagte Prozesszinsen für die Zeit zwischen Rechtshängigkeit und Zahlung des Pflichtteils. Die Kosten des Rechtsstreits habe sie einschließlich der Kosten des für erledigt erklärten Zahlungsanspruchs zu tragen, weil die Beklagte durch ihr vorprozessuales Verhalten die Klagerhebung veranlasst habe.
Die Kläger haben zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger jeweils Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus 18.441,14 € ab dem 10.01.2014 bis einschließlich 11.06.2014 zu zahlen;
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1.253,78 € vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.
Sie schulde weder Zinsen noch Kosten, da kein Verzug eingetreten sei. Die Auskunftsaufforderung vom Juli 2013 sei ebenso irrelevant gewesen wie die Klageerhebung, weil die Kläger die Ausschlagung damals nicht nachgewiesen hätten. Sobald die einschlägigen Nachweise im Prozess präsentiert worden seien, habe die Beklagte den Auskunftsanspruch anerkannt. Den nach erteilter Auskunft im Klagewege bezifferten Pflichtteil habe sie unverzüglich gezahlt. Da die Kläger eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung versäumt hätten, trage die Beklagte auch insoweit keine Kosten.
Das Gericht hat mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet und Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, auf den 15. August 2014 bestimmt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die Beklagte schuldet Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung (1.253,78 €) gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.
Der Pflichtteilsanspruch entstand mit Ausschlagung der Nacherbschaft durch die Erklärung der Kläger gegenüber dem Nachlassgericht am 17. Juli 2013, §§ 2303, 2306 Abs. 1, Abs. 2, 2142 BGB. Von da an war er fällig und durchsetzbar. Das am 16. Juli 2013 gefertigte Schreiben der Kläger stellte eine Mahnung i.S.v. § 286 Abs. 1 BGB dar, da es die eindeutige Aufforderung zur Auskunftserteilung unter Fristsetzung bis 30. September 2013 enthält; das Zitat einschlägiger Normen und der Hinweis, dass Vollständigkeit und Richtigkeit des Verzeichnisses ggf. eidesstattlich zu versichern seien, lassen keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Eindeutigkeit der Verlangens. Die Mahnung ist frühestens, was genügt, am 17. Juli 2013 der Beklagten zugegangen und mit ihrem Zugang wirksam geworden, § 130 Abs. 1 BGB analog. Die Beklagte kam so jedenfalls mit Fristablauf am 30. September 2013 in Verzug, ohne dass sie sich darauf berufen könnte, die Ausschlagung der Nacherbschaft sei damals nicht nachgewiesen worden. Der Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen ist keine Bedingung für den Verzugseintritt.
Allenfalls nach § 286 Abs. 4 BGB („kein Verzug ohne Verschulden“) kann ihm Bedeutung zukommen, wobei der Einwand fehlenden Verschuldens vom Schuldner zu beweisen ist, Diesen Nachweis hat die Beklagte nicht geführt. Sie hat die streitige Behauptung nicht bewiesen, dass das Nachlassgericht Konstanz, dem das Amtsgericht Neuss die Ausschlagung am 23. Juli 2013 übermittelt (K 4 /AS 63) und das das Testament im Juni 2013 eröffnet hatte (II NG 149/13), es unter Verletzung seiner Rechtspflicht aus § 1953 Abs. 3 BGB versäumt habe, die Beklagte bis 30. September 2013 von der Ausschlagung zu unterrichten und sie deshalb die wirkliche Rechtslage bei Fristablauf nicht gekannt gehabt habe. Unabhängig davon stellt es eine Sorgfaltspflichtverletzung dar, wenn die Vorerbin – von den (pflichtteilsberechtigten) Nacherben unter Verweis auf die Ausschlagung der Erbschaft zur Auskunftserteilung aufgefordert – die ihr unschwer mögliche Nachfrage beim Nachlassgericht unterlässt, ob die behauptete Ausschlagung erfolgt sei oder nicht, oder wenn sie – bei Zweifeln an der Ausschlagung – nicht wenigstens die Nacherben zum Nachweis anfordert. Bloße Untätigkeit auf deren Auskunftsverlangen hindert das Verschulden der am Nachlassverfahren beteiligten Vorerbin nicht.
Die der Höhe nach unstreitigen Gebühren sind als Kosten der angemessenen Rechtsverfolgung zu ersetzen. Die Untätigkeit der Beklagten und die Ankündigung ihrer damaligen Bevollmächtigten, man werde – wie nicht – nach Prüfung binnen zweier Wochen auf den Vorgang zurückkommen, rechtfertigten die Mandatierung eines Rechtsanwalts.
Die Kläger können Prozesszinsen i.H.v. jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.441,14 € für die Zeit vom 10. Januar bis zum 11. Juni 2014 verlangen, §§ 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB.
Der Pflichtteilsanspruch ist eine Geldschuld i.S.v. § 291 BGB, der mit erfolgter Ausschlagung am 17. Juli 2014 voll durchsetzbar und fällig war. Rechtshängigkeit trat mit Erhebung der Stufenklage am 9. Januar 2014 ein (vgl. dazu: Erman BGB, Kommentar § 291 Rz. 3).Die Zinspflicht beginnt nach § 187 Abs. 1 BGB am Tag nach Rechtshängigkeit, d.h. mit dem 10. Januar 2014. Die Erfüllung der Geldschuld, bis zu deren Eintritt Prozesszinsen geschuldet sind, trat mit der Gutschrift der Überweisung auf dem Konto des Prozessbevollmächtigten der Kläger am 12. Juni 2014 ein, § 362 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, im Übrigen aus § 91a ZPO. Soweit die Parteien den Zahlungsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-und Streitstands zu entscheiden. Danach waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil sie Auskunft und Zahlung schuldete, ohne dass die Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses i.S.v. § 93 ZPO vorgelegen hätten.
Es fehlt ein sofortiges Anerkenntnis, weil die Beklagte den Auskunftsanspruch erst in ihrer Antwort auf die Replik anerkannt hat. Auch war sie bei Erhebung der Stufenklage mit der geschuldeten Auskunft in Verzug (s.o. 1.), was an sich schon die Anwendung von § 93 ZPO hindert. Außerdem hatten ihre damaligen Bevollmächtigten die Kläger am 14. Oktober 2014 unter Hinweis auf das Auskunftsverlangen vom 16. Juli 2013 wissen lassen, man prüfe die Sach- und Rechtlage und werde „innerhalb der kommenden zwei Wochen auf den Vorgang zurückkommen“. Nachdem die avisierte Reaktion der Beklagtenseite ohne weitere Erklärung ausgeblieben und zwei Monate verstrichen waren, war die Klageerhebung vom 16. Dezember 2013 veranlasst. Ein vorprozessuales Hinhalten, wie es in dem der Beklagten zuzurechnenden Verhalten ihrer Bevollmächtigten liegt, hindert ein sofortiges Anerkenntnis (vgl. OLG Koblenz, ErbR 2009, 220-221).
Auch soweit es die Kostentragungspflicht in der Leistungsstufe angeht, greift § 93 ZPO nicht ein. Denn der auskunftsverpflichtete Erbe gibt schon dann zur Erhebung der Stufenklage Anlass, wenn er vorprozessual zur Auskunft aufgefordert wird und die verlangte Auskunft nicht in ordnungsgemäßer Form innerhalb der gesetzten Frist erteilt. Dadurch kommt er in Verzug und hat so Anlass zur Klageerhebung gegeben. In diesem Fall kommt, wenn der Pflichtteilsberechtigte anschließend Stufenklage erhebt, eine Kostentragungspflicht des Klägers nach § 93 ZPO auch bei einem unverzüglichen Anerkenntnis des später bezifferten Leistungsantrags nicht mehr in Betracht. Einer nochmaligen außergerichtlichen Zahlungsaufforderung des Klägers vor dem Übergang zur Leistungsstufe bedarf es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht (jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 2314 BGB).
Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Der Gebührenstreitwert war gemäß § 44 GKG nach dem Wert der Leistungsanträge zu bestimmen und auf 2 x 18.441,14 €, d.h. 36.882,28 € festzusetzen.