Das Landgericht Kleve hat mit Urteil vom 8. Mai 2024 den Anspruch eines Mandanten von uns auf Einsicht in die Patientenakte seiner verstorbenen Großmutter bestätigt, um Hinweisen auf deren Testierunfähigkeit nachzugehen (Az. 2 O 272/23).
Rechtsanwältin Ann-Kristin Wedemeyer führte für unseren Mandanten das erfolgreiche Klageverfahren.
Unser Mandant, Alleinerbe der Verstorbenen, beantragte Einsicht in die Patientenakte, um die Umstände ihrer geistigen Verfassung bei Errichtung eines jüngeren Testaments zu ermitteln. Das Gericht bestätigte diesen Anspruch und setzte damit einen wichtigen Akzent zum Thema Einsichtnahme und postmortaler Geheimhaltung.
Patientenakte und Testierfähigkeit: Einblick für Erben
Das Gericht bestätigte, dass der Erbe gemäß § 630g Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Einsicht in die Patientenakte der Erblasserin hat, sofern dies der Wahrung vermögensrechtlicher Interessen dient und kein entgegenstehender Wille der Verstorbenen vorliegt.
Kernaussagen des Gerichts:
- Vermögensrechtliches Interesse des Erben: Der Kläger beabsichtigt, die Patientenakte einzusehen, um eine mögliche Testierunfähigkeit der Erblasserin nachzuweisen. Dies dient einem vermögensrechtlichen Interesse, da das jüngere Testament Vermächtnisse enthält, die unwirksam sein könnten.
- Mutmaßlicher Wille der Erblasserin: Da die Erblasserin keine ausdrückliche Verfügung hinterlassen hatte, die einer Akteneinsicht entgegensteht, kam es auf ihren mutmaßlichen Willen an. Der Beklagte (Hausarzt) verwies auf einen Eintrag, der lautete: „Laut Doktor ist die Gabe von … in Eigenmedikation kein Problem!! Sie wollte nicht komplett fremdbestimmt sein, das geht auch keinen was an.“ Nach Auffassung des Gerichts betraf diese Aussage nur die Medikation und beinhaltete keinen Wunsch, die Patientenakte nach ihrem Tod geheim zu halten.
- Rechtliche Abwägung: Mangels klarer Anhaltspunkte für einen Geheimhaltungswunsch der Erblasserin entschied das Gericht zugunsten des Erben und stellte fest, dass Einsicht zu gewähren ist, da davon auszugehen sei, dass die Verstorbene einer Einsichtnahme zur Wahrung vermögensrechtlicher Interessen nicht widersprochen hätte.
Bedeutung für die Praxis
Dieses Urteil hat wichtige Implikationen für Erben, die Einsicht in die Patientenakten eines Erblassers zur Feststellung der Testierfähigkeit nehmen möchten. Die Entscheidung stärkt die Rechte der Erben, wenn ein vermögensrechtliches Interesse besteht und keine klaren Anhaltspunkte für den Widerspruch der Verstorbenen vorliegen.
Ist aufgrund der möglichen Testierunfähigkeit die Erbenstellung umstritten, kann alternativ das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren anordnen, dass die relevanten Unterlagen aus der Patientenakte vorzulegen sind.
Unterstützung durch unsere Kanzlei
Bei Unsicherheiten zur Testierfähigkeit oder zur Einsicht in ärztliche Unterlagen des Erblassers beraten wir Sie umfassend zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten. Wir unterstützen Sie dabei, notwendige Informationen zur Durchsetzung Ihrer erbrechtlichen Ansprüche zu erhalten, um Ihre Position als Erbe bestmöglich zu sichern.
Zu Rechtsanwältin Ann-Kristin Wedemeyer, die das Urteil erwirkt hat »