Das Oberlandesgericht Zweibrücken entschied am 16. Mai 2024, dass ein gemeinschaftliches Testament nach dem Tod eines Ehegatten grundsätzlich vollständig zu eröffnen ist (Az. 8 W 13/24). Auch wenn der überlebende Ehegatte ein Geheimhaltungsinteresse geltend macht, müssen die Verfügungen des Testaments allen Beteiligten bekanntgegeben werden, solange keine trennbare und ausschließlich den überlebenden Ehegatten betreffende Regelung vorliegt.
Hintergrund des Verfahrens
Die Eheleute hatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament festgelegt, dass bestimmte Verfügungen erst nach dem Tod des Letztversterbenden wirksam werden sollten. Nach dem Tod der Ehefrau wollte der überlebende Ehemann das Testament nur teilweise eröffnen lassen, um bestimmte Anordnungen der Ziffer 3 geheim zu halten. Er argumentierte, dass diese Regelungen die Interessen der anderen Erben nicht berührten und erst im zweiten Erbfall relevant würden.
Entscheidung des Gerichts
Das OLG Zweibrücken bestätigte, dass die vollständige Eröffnung des Testaments erforderlich ist. Eine teilweise Geheimhaltung ist nur möglich, wenn die Verfügungen trennbar und ausschließlich auf den überlebenden Ehegatten bezogen sind. In diesem Fall sah das Gericht die Verfügungen als untrennbar an, da sie in einer „Wir-Form“ formuliert waren und somit beide Ehepartner betrafen.
Wichtige Aspekte des Urteils:
- Untrennbarkeit der Verfügungen: Die sprachliche Formulierung und die gemeinschaftliche Bindungswirkung des Testaments machen eine partielle Eröffnung unmöglich.
- Keine Auswirkungen auf Änderungsbefugnisse: Das Urteil stellt klar, dass die Eröffnung keine rechtlichen Fristen oder Verpflichtungen auslöst und die Änderungsbefugnisse des überlebenden Ehegatten unberührt bleiben.
Rechtlicher Hintergrund: Eröffnung von Testamenten bei gemeinschaftlichen Verfügungen
Nach § 349 Abs. 1 FamFG sind gemeinschaftliche Testamente bei Tod eines der Ehegatten vollständig zu eröffnen, sofern die Verfügungen des Erstverstorbenen auch den Letztversterbenden betreffen oder auf ihn Bezug nehmen. Ein vollständiges Bild der Verfügungen ist notwendig, damit alle Beteiligten die Tragweite der Regelungen verstehen können.
Sind Verfügungen des überlebenden Ehegatten sprachlich und inhaltlich klar abgrenzbar, kann das Nachlassgericht jedoch anordnen, diese nicht zu eröffnen und geheim zu halten. Die jeweiligen Verfügungen werden dann in den Abschriften, die die Beteiligten erhalten, geschwärzt oder geweißt.
Dabei ist es entscheidend, dass keine Sprachformen wie „wir“ oder „unser“ verwendet werden, die eine enge inhaltliche Verknüpfung andeuten. Nur in Fällen, wo Verfügungen eindeutig abtrennbar und allein auf den überlebenden Ehegatten beschränkt sind, lässt sich eine partielle Geheimhaltung rechtfertigen.
Bedeutung für die Praxis
Für Testatoren ist es wichtig zu wissen, dass bestimmte Anordnungen im Testament unter Umständen nicht geheim gehalten werden können, selbst wenn diese den zweiten Erbfall betreffen. Eine klare und trennbare Formulierung im Testament kann dazu beitragen, dass das Nachlassgericht die den zweiten Erbfall betreffenden Verfügungen verdeckt. Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der rechtssicheren Formulierung und klärt Sie umfassend über die Möglichkeiten und Grenzen der Geheimhaltung in gemeinschaftlichen Testamenten auf.