Testament auslegen: Wie geht das?

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 6. Februar 2024 von Tobias Goldkamp

Testamente können notariell beurkundet werden oder eigenhändig als privatschriftliches Testament errichtet werden. Im Erbfall ist manchmal unklar, wie der Text zu interpretieren ist.

Bei der Auslegung ist der wirkliche Wille der Erblasser zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB).

Neben der Analyse des Wortlauts sind Umstände außerhalb des Testaments auszuwerten. Ziel ist, zu ermitteln, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte (BGH, Urt. v. 07.10.1992 – IV ZR 160/91 Rn. 11).

Bei einem vom allgemeinen oder juristischen Sprachgebrauch abweichenden Verständnis des Erblassers bildet auch ein klarer und eindeutiger Wortlaut keine Auslegungsgrenze (BGH, Urt. v. 08.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41, Rn. 16).

Bleibt trotz Auswertung aller Umstände der tatsächlich vorhandene wirkliche Wille des Erblassers offen, ist – wiederum unter Auswertung von Wortlaut und allen Umständen – der Sinn zugrunde zu legen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht.

Wegen der Formbedürftigkeit von Verfügungen von Todes wegen kann nur ein solches Auslegungsergebnis Bestand haben, das hinsichtlich Geltungsanordnung, Zuwendungsempfänger und Zuwendungsgegenstand im formgerechten Text wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck kommt (Andeutungstheorie).

Das BGB enthält zahlreiche für Verfügungen von Todes wegen relevante Auslegungsregeln, etwa hinsichtlich der bedachten Personen in §§ 2066-2077, für die Erbeinsetzung in §§ 2088-2095, für die Ersatzerbeneinsetzung in §§ 2097, 2098, für die Nacherbeneinsetzung in §§ 2102, 2108 II, 2110, für das Vermächtnis in §§ 2148, 2165, 2166, 2169.

Die wohl wichtigste Auslegungsregel ist die der wohlwollenden Auslegung: Bestehen mehrere Auslegungsmöglichkeiten, ist im Zweifel diejenige vorzuziehen, bei der die Verfügung Erfolg haben kann (§ 2084 BGB).

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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