Der Erbschein: Bedeutung, Verfahren und Rechtswirkungen

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 20. November 2024 von Tobias Goldkamp

Ein Erbschein ist ein amtliches Dokument, das die Erbenstellung und Erbquote eines Erben bezeugt und wird vom Nachlassgericht auf Antrag ausgestellt. Der Erbschein erfüllt eine zentrale Funktion im Erbrecht, insbesondere für die Nachlassabwicklung gegenüber Banken, Behörden und weiteren Institutionen. Seine Ausstellung ist sowohl bei gesetzlicher als auch bei gewillkürter Erbfolge möglich.

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp ist Fachanwalt für Erbrecht

1. Bedeutung und Funktion des Erbscheins

Der Vermögensübergang durch Erbfolge erfolgt unmittelbar kraft Gesetzes, ohne dass es dafür ein spezielles äußeres Zeichen gibt. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass der Erbe seine Rechtsstellung durch ein offizielles Dokument, den Erbschein, nachweisen kann. Der Erbschein genießt dabei öffentlichen Glauben, was bedeutet, dass die darin enthaltenen Angaben als richtig vermutet werden, auch wenn sie tatsächlich falsch sein sollten. Diese Funktion ist für den Rechtsverkehr von erheblicher Bedeutung, da Dritte im Vertrauen auf den Erbschein handeln können.

Legitimations- und Vermutungsfunktion

Der Erbschein legitimiert den Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers und verschafft ihm die Möglichkeit, sich gegenüber Dritten als erbberechtigt auszuweisen. Dies ist beispielsweise im Kontakt mit Banken oder Grundbuchämtern wichtig, um Vermögen des Erblassers zu verwalten oder auf Nachlasskonten zuzugreifen. Gemäß § 2365 BGB wird vermutet, dass der die im Erbschein als Erbe ausgewiesene Person tatsächlich Erbe ist und die Angaben im Erbschein vollständig und korrekt sind.

2. Erbscheinsantrag und Verfahren

Ein Erbschein wird auf Antrag erteilt, den der Erbe beim zuständigen Nachlassgericht stellen muss. Der Antragsteller muss in der Regel folgende Dokumente einreichen:

  • Sterbeurkunde des Erblassers,
  • Testament oder Erbvertrag (falls vorhanden),
  • Nachweis zur gesetzlichen Erbfolge (z. B. Geburtsurkunden, Heiratsurkunde),
  • Eidesstattliche Versicherung, dass keine anderen erbrechtlichen Regelungen bekannt sind.

a) Zuständigkeit und Antragserfordernisse

Für die Ausstellung eines Erbscheins ist das Nachlassgericht zuständig. Innerhalb des Gerichts ist in den meisten Fällen der Rechtspfleger für die Bearbeitung des Antrags zuständig. Das Verfahren zur Erteilung des Erbscheins richtet sich nach den Vorschriften des FamFG und des BGB (§§ 2353 ff. BGB).

Der Erbschein kann entweder als Alleinerbschein oder als Teilerbschein ausgestellt werden, wenn mehrere Miterben vorhanden sind. Beim Teilerbschein wird nur der Anteil eines Miterben am Gesamtnachlass festgehalten, während der gemeinschaftliche Erbschein die Erbteile aller Miterben dokumentiert.

b) Internationale und nationale Zuständigkeit

Das Nachlassgericht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers ist für die Erteilung des Erbscheins zuständig. In internationalen Fällen können unterschiedliche Regeln gelten, beispielsweise gemäß der EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO), die für grenzüberschreitende Erbfälle gilt.

3. Rechtswirkungen und Grenzen des Erbscheins

Obwohl der Erbschein die Erbenstellung vermutet, wirkt er nicht rechtskonstitutiv, sondern nur deklaratorisch. Das bedeutet, dass der Erbschein keine materielle Rechtskraft entfaltet. Sollte der Erbschein falsch sein, kann er gemäß § 2361 BGB eingezogen werden.

Einziehung des Erbscheins

Ein Erbschein kann eingezogen oder für kraftlos erklärt werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die darin enthaltenen Angaben falsch sind. Dies ist der Fall, wenn etwa ein anderes Testament auftaucht oder die Erbenstellung nachträglich angefochten wird. Die Einziehung erfolgt durch das Nachlassgericht, entweder von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten.

4. Besonderheiten beim gemeinschaftlichen Erbschein

Beim gemeinschaftlichen Erbschein werden alle Miterben eines Nachlasses aufgeführt. Sollte nur einer der Erben einen Erbschein beantragen, muss dieser auch die Erbteile der anderen Erben mit angeben. Ein gemeinschaftlicher Erbschein dient dazu, die Erbfolge einheitlich zu dokumentieren, um den Rechtsverkehr zu erleichtern.

5. Unterstützung durch unsere Kanzlei

Falls Sie einen Erbschein beantragen möchten oder Fragen zur Erbfolge haben, unterstützen wir Sie umfassend bei der Nachlassabwicklung und dem Erbscheinsverfahren. Unsere erfahrenen Anwälte beraten Sie zu den Anforderungen und begleiten Sie bei allen rechtlichen Schritten im Erbscheinsverfahren.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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