Die Entscheidung, eine Erbschaft auszuschlagen, ist nicht immer endgültig. In bestimmten Fällen kann eine Erbausschlagung nachträglich wegen Irrtums angefochten werden. Zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen des OLG Zweibrücken (Az.: 8 W 102/23) und des OLG Frankfurt a. M. (Az.: 21 W 146/23) zeigen, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen – und wo die Grenzen liegen.

Wann kann eine Erbausschlagung angefochten werden?
Grundsätzlich ist eine Anfechtung möglich, wenn der Erbe sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses geirrt hat (§ 119 Abs. 2 BGB). Ein solcher Irrtum liegt vor, wenn der Erbe eine falsche Vorstellung über den Bestand oder die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.
Jedoch muss dieser Irrtum kausal für die Ausschlagung gewesen sein. Das bedeutet, dass der Erbe bei Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse die Erbschaft nicht ausgeschlagen hätte.
Fall 1: OLG Zweibrücken – Kein Anfechtungsrecht bei bloßem Wertirrtum
In diesem Fall schlug eine Erbin die Erbschaft aus, weil sie von einer Überschuldung des Nachlasses ausging. Später stellte sich heraus, dass doch ein Bankguthaben vorhanden war. Sie wollte die Ausschlagung daraufhin anfechten.
Das OLG Zweibrücken entschied jedoch, dass kein zur Anfechtung berechtigender Irrtum vorlag:
- Die Erbin hatte sich nicht über die Zusammensetzung des Nachlasses, sondern nur über den Wert der Vermögensgegenstände geirrt.
- Ein Irrtum über den reinen Wert einzelner Nachlassbestandteile ist rechtlich nicht beachtlich (sog. Motivirrtum).
- Die Erbin hatte die Erbschaft vor allem wegen der vermuteten Überschuldung ausgeschlagen. Das neu entdeckte Bankkonto änderte nichts daran, dass sie den Nachlass damals für überschuldet hielt.
- Da die Erbausschlagung auch bei Kenntnis des Bankguthabens erfolgt wäre, war die Anfechtung unwirksam.
Ergebnis: Eine Anfechtung scheidet aus, wenn sich der Irrtum nur auf den Wert des Nachlasses bezieht und nicht auf dessen Zusammensetzung.
Fall 2: OLG Frankfurt – Erfolgreiche Anfechtung bei falscher Vorstellung über die Zusammensetzung des Nachlasses
In diesem Fall schlug die Tochter einer Erblasserin die Erbschaft aus, weil sie glaubte, dass kein werthaltiges Vermögen vorhanden sei. Später stellte sich heraus, dass die Erblasserin über erhebliche Bankguthaben verfügte.
Das OLG Frankfurt ließ die Anfechtung zu:
- Die Erbin hatte sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses geirrt, nämlich über das Vorhandensein von Bankguthaben.
- Die Überschuldung des Nachlasses ist für sich genommen keine verkehrswesentliche Eigenschaft, aber eine falsche Vorstellung über die Zusammensetzung des Nachlasses kann zur Anfechtung berechtigen.
- Die Erbin hatte sich aktiv um Informationen bemüht und war von der Polizei fälschlicherweise darauf hingewiesen worden, dass kein werthaltiges Vermögen existiere.
- Da sie bei Kenntnis der tatsächlichen Vermögensverhältnisse die Erbschaft angenommen hätte, war ihre Anfechtung wirksam.
Ergebnis: Wer eine Erbschaft ausschlägt, weil er von falschen Tatsachen über die Zusammensetzung des Nachlasses ausgeht, kann die Ausschlagung erfolgreich anfechten.
Fazit: Anfechtung nicht in jedem Fall möglich
Die beiden Beschlüsse zeigen, dass die rechtlichen Hürden für eine Anfechtung hoch sind. Entscheidend ist, ob der Erbe sich über eine wesentliche Eigenschaft des Nachlasses geirrt hat und ob dieser Irrtum kausal für die Ausschlagung war.
- Kein Anfechtungsrecht, wenn sich der Irrtum nur auf den Wert des Nachlasses bezieht.
- Anfechtung möglich, wenn der Erbe sich über die tatsächliche Zusammensetzung des Nachlasses getäuscht hat.
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