FG München: Keine Verbindlichkeit des Nacherben aus unwirksamer Verfügung des Vorerben über die Vorerbschaft

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 2. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Das Finanzgericht München (FG) hat in einer aktuellen Entscheidung vom Januar 2024 klargestellt, dass Nachlassverbindlichkeiten, die durch unwirksame Vermächtnisanordnungen des Vorerben entstehen, nicht beim Nacherben abzugsfähig sind (Urteil vom 17. Januar 2024 – 4 K 379/21). Dieser Fall behandelt insbesondere die erbschaftsteuerliche Behandlung der Vermächtnisse und die damit verbundene Frage, ob der Nacherbe belastet werden kann, wenn der Vorerbe zivilrechtlich unwirksame Vermächtnisanordnungen getroffen hat.

1. Hintergrund und Sachverhalt

Eine Mutter hatte in ihrem Testament von 2012 diverse Vermächtnisse zugunsten ihrer Kinder in Bezug auf einen GbR-Anteil angeordnet. Allerdings war sie durch eine Vor- und Nacherbschaftsregelung des ursprünglichen Erblassers, dem Großvater der Kläger, nicht berechtigt, über den GbR-Anteil letztwillig zu verfügen.

2. Zivilrechtliche und steuerliche Bewertung

Das FG München entschied, dass die von der Vorerbin angeordneten Vermächtnisse zivilrechtlich unwirksam sind, da sie nicht berechtigt war, über das in der Vor- und Nacherbschaft gebundene Vermögen zu verfügen. Diese Unwirksamkeit hat zur Folge, dass der Nacherbe nicht verpflichtet ist, diese Vermächtnisse zu erfüllen. Daran scheiterte konsequenterweise die steuerliche Anerkennung der Vermächtnisse.

3. Keine Abzugsfähigkeit als Nachlassverbindlichkeit

Das FG München stellte klar, dass die vom Vorerben angeordneten, jedoch unwirksamen Vermächtnisse keine Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 ErbStG darstellen und somit nicht beim Nacherben abzugsfähig sind. Für die Anerkennung von Nachlassverbindlichkeiten sei es erforderlich, dass diese entweder vom Erblasser selbst oder durch einen zivilrechtlich wirksamen Vermächtnisempfänger angeordnet wurden.

Das Gericht führte weiter aus, dass eine zivilrechtliche Anerkennung solcher Vermächtnisse das Anwartschaftsrecht des Nacherben erheblich entwerten würde und somit im Widerspruch zur Systematik der Vor- und Nacherbschaft im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) stehen würde.

4. Auswirkungen auf die Erbschaftsteuer

Das Gericht hob hervor, dass der Vorerbe steuerlich als (Voll-)Erbe des ursprünglichen Erblassers gilt. Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang der Erbschaftsteuer, jedoch ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht. Für den Nacherben entsteht die Steuerpflicht erst beim Eintritt der Nacherbfolge. Die Vermächtnisse, die der Vorerbe angeordnet hat, sind in diesem Kontext erbschaftsteuerlich nicht relevant, da sie zivilrechtlich unwirksam sind und somit keine steuerlichen Konsequenzen für den Nacherben haben.

5. Bedeutung der Entscheidung

Während ein Vorerbe über sein Eigenvermögen, dass er nicht vom ursprünglichen Erblasser erhalten hat, Vermächtnisse anordnen kann, fehlt ihm diese Befugnis hinsichtlich der vom Erblasser geerbten Vorerbschaft. Für die Vorerbschaft sind allein die Verfügungen des ursprünglichen Erblassers wirksam, nicht etwaige Verfügungen des Vorerben.

Der Vorerbe hat keine Befugnis, über die Vorerbschaft zu verfügen, und kann daher auch keine Nachlassverbindlichkeiten zu Lasten des Nacherben schaffen. Entsprechend können die Nacherben bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage ihrer Erbschaftsteuer solche unwirksamen Vermächtnisse nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen.

Fazit

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Vermächtnisanordnungen des Vorerben, die das Vermögen der Nacherbschaft betreffen, zivilrechtlich unwirksam sind und keine steuerlichen Auswirkungen auf den Nacherben haben. Unsere Kanzlei berät Sie gerne zu den rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen der Vor- und Nacherbschaft und steht Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer erbrechtlichen Ansprüche zur Seite.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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