Wenn ein Erblasser zu Lebzeiten Vermögenswerte verschenkt, kann dies die Erbschaft erheblich schmälern. Erleiden Erben dadurch Nachteile, können ihnen Ansprüche gegen den Beschenkten zustehen.
Eine Voraussetzung ist, dass der Erbe bindend bedacht ist – also durch eine vertragsmäßige Verfügung in einem Erbvertrag oder eine für den Schlusserbfall getroffene wechselbezügliche bindende Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament. Einen bindend eingesetzten Erben nennt man Vertragserben.
Ein weitere Voraussetzung ist, dass die Schenkung in der Absicht erfolgt ist, den Vertragserben zu benachteiligen. In solchen Fällen können Vertragserben gemäß § 2287 BGB die Schenkungen nach dem Tod des Erblassers zurückfordern.
1. Wann liegt eine missbräuchliche Schenkung vor?
Eine Schenkung gilt als missbräuchlich im Sinne von § 2287 BGB, wenn der Erblasser die Schenkung mit der Absicht vorgenommen hat, den Vertragserben zu benachteiligen. Dies ist der Fall, wenn der Erblasser durch die Schenkung das Vermögen vermindert und so den Nachlasswert zugunsten Dritter reduziert, ohne dass ein anerkennenswertes Eigeninteresse besteht.
a) Erbvertrag und Verfügungsfreiheit des Erblassers
Grundsätzlich ist ein Erblasser trotz eines Erbvertrags zu Lebzeiten weiterhin frei, über sein Vermögen zu verfügen (§ 2286 BGB). Er kann auch Schenkungen vornehmen. Wenn jedoch der Vertragserbe durch die Schenkung objektiv und subjektiv benachteiligt wird, greift der Schutzmechanismus des § 2287 BGB. Der Vertragserbe hat in einem solchen Fall nach dem Erbfall einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschenkten auf Herausgabe der geschenkten Vermögensgegenstände.
b) Subjektive Beeinträchtigungsabsicht
Der Erblasser muss die Schenkung in der Absicht vorgenommen haben, den Vertragserben zu benachteiligen. Es reicht aus, wenn die Benachteiligung eines der Motive des Erblassers war. Die Rechtsprechung erleichtert den Erben den Nachweis der Benachteiligungsabsicht, indem sie annimmt, dass diese in vielen Fällen bereits aus den Umständen der Schenkung geschlossen werden kann.
2. Herausgabeansprüche nach § 2287 BGB
Nach dem Tod des Erblassers kann der Vertragserbe die Herausgabe der missbräuchlich geschenkten Vermögensgegenstände verlangen. Dies geschieht auf der Grundlage eines Bereicherungsanspruchs gegen den Beschenkten. Es handelt sich um einen schuldrechtlichen Anspruch, der auf Herausgabe oder Wertersatz gerichtet ist.
a) Anspruchsgegner
Der Anspruch richtet sich gegen den Beschenkten. Es können keine Ansprüche gegen den Erblasser selbst oder gegen andere Miterben geltend gemacht werden, sofern diese nicht Beschenkte sind.
b) Einschränkungen des Herausgabeanspruchs
Der Herausgabeanspruch ist begrenzt auf den Wert des geschenkten Vermögens, der nach Abzug etwaiger Pflichtteilsansprüche oder Zugewinnausgleichsansprüche verbleibt. Es handelt sich also um eine Wertkompensation, die sicherstellt, dass der Vertragserbe nicht durch die Schenkung vollständig entrechtet wird.
3. Verjährung des Herausgabeanspruchs
Der Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB verjährt gemäß § 195 BGB innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Erbfall, also mit dem Tod des Erblassers.
4. Beweispflicht des Vertragserben
Ein praktisches Problem bei der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs ist die Beweisführung. Der Vertragserbe muss darlegen und beweisen, dass die Schenkung missbräuchlich war. Dies kann durch die Umstände der Schenkung oder durch Hinweise auf das Fehlen eines lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers geschehen. In solchen Fällen gilt eine Erleichterung: Der Vertragserbe darf ohne Begründung das Fehlen eines Eigeninteresses behaupten, während der Beschenkte die Umstände darlegen muss, die ein solches Interesse begründen.
Fazit
Schenkungen, die zu Lebzeiten des Erblassers vorgenommen werden, können nach seinem Tod unter bestimmten Voraussetzungen herausverlangt werden, wenn sie den Vertragserben benachteiligen. Der § 2287 BGB bietet Vertragserben einen wichtigen Schutzmechanismus, um missbräuchliche Schenkungen rückgängig zu machen und den Nachlasswert zu sichern. Es ist jedoch ratsam, in solchen Fällen rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen, um die Ansprüche effektiv durchzusetzen.