OLG Brandenburg: Beweislast für die Testierfähigkeit bei Demenzverdacht

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 17. März 2025 von Tobias Goldkamp

Das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 09.01.2025 – 3 W 55/24) entschied, dass ein handschriftliches Testament trotz eines später festgestellten Demenzleidens der Erblasserin wirksam bleibt, wenn die Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht nachgewiesen werden kann. Die Beweislast für die Testierunfähigkeit trägt derjenige, der sich darauf beruft – hier der Sohn der Erblasserin.

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Der Fall: Streit um die Testierfähigkeit der Erblasserin

Die Erblasserin hatte in mehreren Testamenten unterschiedliche Personen als Erben eingesetzt. In ihrem letzten handschriftlichen Testament setzte sie einen Alleinerben ein und schloss andere Nachkommen von der Erbfolge aus.

Ihr Sohn, der Beschwerdeführer, focht das Testament an und argumentierte, dass seine Mutter zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz testierunfähig gewesen sei. Zudem behauptete er, dass sie Analphabetin gewesen sei und das Testament daher nicht eigenhändig verfasst haben könne.

Das Amtsgericht Oranienburg hatte die Testierfähigkeit der Erblasserin bejaht und den Erbschein zugunsten des eingesetzten Erben erteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Sohn Beschwerde ein.

Die Entscheidung des OLG Brandenburg: Keine ausreichenden Beweise für Testierunfähigkeit

Das OLG wies die Beschwerde zurück und stellte klar:

1. Wer die Testierunfähigkeit behauptet, muss sie beweisen

📌 Grundsatz der Beweislast:

  • Nach § 2229 Abs. 4 BGB muss ein Erblasser in der Lage sein, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
  • Wer sich auf Testierunfähigkeit beruft, muss diese eindeutig nachweisen.
  • Die Erblasserin gilt bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig.

📌 Das Gericht stellte fest:

  • Die Demenzdiagnose wurde erst im Dezember 2019 durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) gestellt – also fast ein Jahr nach Testamentserrichtung.
  • In den medizinischen Unterlagen fanden sich keine gesicherten Hinweise darauf, dass die Erblasserin bereits im Februar 2019, als sie das Testament errichtete, testierunfähig war.
  • Vereinzelte Berichte über Verwirrtheit oder Gedächtnislücken sind kein hinreichender Beweis für eine fehlende Testierfähigkeit.

Ergebnis: Die Beweislast lag beim Beschwerdeführer, der jedoch keine hinreichenden Beweise vorlegen konnte.

2. Die Erblasserin konnte lesen und schreiben

📌 Das OLG verwarf die Behauptung des Sohnes, dass die Erblasserin Analphabetin gewesen sei:

  • Zeugen bestätigten, dass die Erblasserin lesen und schreiben konnte.
  • Handschriftliche Notizen aus früheren Jahren stimmten mit dem Schriftbild des Testaments überein.
  • Der Beschwerdeführer selbst hatte ihr mehrfach Briefe geschrieben – was darauf hindeutet, dass er selbst von ihrer Lesefähigkeit ausging.

Ergebnis: Es gibt keine Anhaltspunkte, dass das Testament nicht von der Erblasserin verfasst wurde.

Bedeutung für die Praxis

Diese Entscheidung betont zwei zentrale Punkte für Erbstreitigkeiten:

Beweislast liegt beim Anfechtenden: Wer ein Testament wegen Testierunfähigkeit angreifen will, muss konkrete, überzeugende Beweise liefern. Späte Demenzdiagnosen oder vage Berichte reichen nicht aus.

Eigenhändiges Testament bleibt maßgeblich: Auch bei begrenzter Schulbildung kann eine eigenhändige Testamentsverfassung möglich sein. Zweifel an der Echtheit müssen konkret belegt werden.

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Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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