Eine trans- oder postmortale Vollmacht kann dem Bevollmächtigten weitreichende Befugnisse verleihen – aber reicht sie auch aus, um einen Nacherben zu vertreten? Mit dieser Frage beschäftigte sich das OLG Bremen (Beschluss vom 19.12.2024 – 3 W 26/24). Das Gericht entschied, dass eine über den Tod hinausgehende Vollmacht nicht nur zur Vertretung des Vorerben, sondern auch zur Vertretung des Nacherben berechtigen kann – sofern dies durch Auslegung der Vollmacht nach §§ 133, 157 BGB bestätigt wird.
Der Fall: Löschung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch
Der Erblasser hatte mit notarieller Urkunde zwei Generalbevollmächtigte eingesetzt. Die Vollmacht war trans- bzw. postmortal erteilt und umfasste alle Rechtshandlungen, die der Erblasser selbst hätte vornehmen können. Nach dem Tod des Erblassers wurde seine Ehefrau als befreite Vorerbin eingetragen, während für die Nachkommen eine Nacherbfolge mit Grundbuchvermerk angeordnet war.
Die Generalbevollmächtigten und die Vorerbin beantragten beim Grundbuchamt die Löschung des Nacherbenvermerks. Das Grundbuchamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass hierfür die Zustimmung der Nacherben erforderlich sei.
Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Generalbevollmächtigten auch die Nacherben vertreten könnten, da die transmortale Vollmacht alle rechtlichen Verfügungen umfasse.
Die Entscheidung des OLG Bremen: Weite Auslegung der Vollmacht
Das OLG Bremen hob die Entscheidung des Grundbuchamts auf und stellte fest, dass die transmortale Generalvollmacht auch zur Vertretung der Nacherben berechtigte.
1. Auslegung der Vollmacht nach §§ 133, 157 BGB
Das Gericht stellte klar, dass der Wortlaut einer Generalvollmacht umfassend ausgelegt werden müsse. Die Vollmacht enthielt die Formulierung:
„Die Bevollmächtigten sollen befugt sein, jede Rechtshandlung vorzunehmen, die ich selbst vornehmen könnte, mit derselben Wirkung, als ob ich sie selbst vorgenommen hätte. Diese Vollmacht soll durch meinen Tod nicht erlöschen.“
📌 Das Gericht schlussfolgerte:
- Die Vollmacht sei weit formuliert und umfasse die gesamte Vermögensverwaltung.
- Da die Bevollmächtigten anstelle des Erblassers handelten, müssten sie auch in der Lage sein, das Nachlassvermögen ohne Einschränkungen zu verwalten.
- Die Vertreter hätten somit auch das Recht, die Interessen der Nacherben wahrzunehmen.
2. Schutz der Nacherben durch Widerrufsrecht
Ein wichtiger Kritikpunkt gegen die Vertretung der Nacherben war, dass diese keine Möglichkeit hätten, sich gegen eine nachteilige Vertretung zu wehren. Das OLG Bremen entschied jedoch:
✅ Der Nacherbe kann die Vollmacht widerrufen.
✅ Die Vollmacht stellt keinen Eingriff in seine Rechte dar, solange er den Widerruf ausüben kann.
✅ Falls eine Verfügung nachteilig für den Nacherben ist, kann dieser ggf. Schadensersatzansprüche gegen den Bevollmächtigten geltend machen.
3. Grundbuchrechtliche Bedeutung der Entscheidung
Das Grundbuchamt hatte argumentiert, dass ein Nacherbenvermerk nur mit Zustimmung der Nacherben gelöscht werden könne. Das OLG Bremen widersprach und entschied:
- Eine isolierte Löschung des Nacherbenvermerks ist möglich, wenn die Generalbevollmächtigten mit entsprechender Befugnis handeln.
- Der Zweck einer transmortalen Vollmacht ist es gerade, die Verwaltung des Nachlasses zu erleichtern.
- Eine Verpflichtung zur Zustimmung der Nacherben wäre eine unnötige bürokratische Hürde, solange die Bevollmächtigten im Sinne des Erblassers handeln.
Fazit: Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Bremen bestätigt, dass transmortale Vollmachten weitreichende Befugnisse verleihen können, die über den Tod hinaus bestehen.
✅ Wichtige Lehren aus dem Urteil:
- Eine umfassend formulierte transmortale Generalvollmacht kann auch zur Vertretung von Nacherben berechtigen.
- Grundstücksverfügungen und Löschungen von Nacherbenvermerken können durch Bevollmächtigte vorgenommen werden.
- Nacherben können die Vollmacht widerrufen, wenn sie sich benachteiligt fühlen.
- Grundbuchämter müssen transmortale Vollmachten weit auslegen und dürfen nicht automatisch eine Beteiligung der Nacherben verlangen.
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