Wechselbezügliche Verfügung: Wie kann sie einseitig widerrufen werden?

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat am 5. Juni 2024 eine Entscheidung getroffen, die sich mit der Wirksamkeit eines Widerrufs von wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament befasst (Az.: 6 W 56/24). Diese Entscheidung beleuchtet die rechtlichen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein solcher Widerruf wirksam wird.

Hintergrund des Falls

Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten 2006 ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. 2022 errichtete die Erblasserin ein neues Einzeltestament, in dem sie eine andere Person als Alleinerben bestimmte. Sie widerrief ihre frühere Verfügung aus dem gemeinschaftlichen Testament. Dieser Widerruf wurde jedoch nur in Form einer beglaubigten Abschrift an ihren Ehemann zugestellt.

Nach dem Tod der Erblasserin kam es zu Streitigkeiten über die Gültigkeit des Widerrufs und die Erbenstellung. Der Ehemann der Erblasserin stellte einen Antrag auf Nachlasspflegschaft, um den Nachlass bis zur Klärung der Erbenfrage zu sichern.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass der Widerruf der wechselbezüglichen Verfügung im gemeinschaftlichen Testament unwirksam sei. Die wesentlichen Punkte der Entscheidung sind:

Zugang der Widerrufserklärung

  1. Erforderlichkeit der Ausfertigung: Für die Wirksamkeit eines Widerrufs ist es notwendig, dass die Ausfertigung der notariell beurkundeten Widerrufserklärung dem anderen Ehegatten zu Lebzeiten zugeht. Eine bloße beglaubigte Abschrift reicht nicht aus. Das Gericht stellte fest, dass die Erblasserin ihrem Ehemann nur eine beglaubigte Abschrift zustellen ließ, was für die Wirksamkeit des Widerrufs nicht ausreichte.
  2. Verzögerte Zustellung: Nach dem Tod der Erblasserin erfolgte eine erneute Zustellung der Ausfertigung, jedoch war dies zu spät, da die Erklärung den Ehemann nicht mehr rechtzeitig erreichte. Eine solche Zustellung kann die Wirksamkeit des Widerrufs nicht mehr bewirken, da der überlebende Ehegatte nicht mehr mit einem Widerruf rechnen musste, nachdem er die Erbschaft bereits angenommen hatte.

Bedeutung der Formvorschriften

  • Formelle Anforderungen: Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der formellen Anforderungen bei der Zustellung von Widerrufserklärungen. Eine notarielle Beurkundung allein genügt nicht; der Zugang der Ausfertigung ist entscheidend, um die Rechtswirksamkeit zu gewährleisten.
  • Vertrauensschutz: Der Grundsatz des Vertrauensschutzes spielt eine zentrale Rolle. Der überlebende Ehegatte darf darauf vertrauen, dass die bestehenden testamentarischen Verfügungen Bestand haben, wenn der Widerruf nicht korrekt zugestellt wurde.

Auswirkungen der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Celle betont, wie wichtig die Einhaltung formeller Vorgaben beim Widerruf von wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament ist. Ein Widerruf ist nur dann wirksam, wenn er korrekt zugestellt wird und der überlebende Ehegatte ausreichend informiert wird.

Fazit

Diese Entscheidung bietet eine wichtige Orientierung für Erblasser und Erben im Umgang mit gemeinschaftlichen Testamenten. Die Notwendigkeit, formelle Anforderungen strikt einzuhalten, um die Rechtswirksamkeit eines Widerrufs sicherzustellen, wird hervorgehoben. Bei Fragen zu Testamentsgestaltung, zum Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung oder zur Erbfolge steht Ihnen unsere Kanzlei gerne zur Verfügung.

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