OLG Celle: Unmittelbar vor der Ehe geschlossener Erbvertrag wird mit Scheidung unwirksam

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 4. März 2025 von Tobias Goldkamp

Das Oberlandesgericht Celle (Beschluss vom 27.01.2025 – 6 W 148/24) hat entschieden, dass die unmittelbar vor der Eheschließung verfügte Erbeinsetzung eines Ehegatten unwirksam wird, wenn die Voraussetzungen der Scheidung vorliegen und der Erblasser Ehescheidung zugestimmt hat.

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Normalerweise gilt dies nur für während der Ehe getroffene Verfügungen; hier ausnahmsweise auch für einen unmittelbar vor der Ehe geschlossenen Erbvertrag, der erkennbar mit der Ehe in Verbindung stand.

Der Fall: Erbvertrag vor der Ehe – Scheidung vor dem Erbfall

Vier Tage vor der Eheschließung hatten der Erblasser und seine spätere Ehefrau einen notariellen Erbvertrag geschlossen, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten.

Später kam es zur Trennung, und die Ehefrau stellte einen Scheidungsantrag, dem der Erblasser im Rahmen eines Verfahrenskostenhilfeverfahrens zustimmte. Die eigentliche Scheidung konnte jedoch nicht mehr vollzogen werden, da der Erblasser vor der mündlichen Verhandlung verstarb.

Nach seinem Tod beantragte die Ehefrau einen Erbschein, gestützt auf den Erbvertrag. Die Tochter des Erblassers aus einer früheren Beziehung focht dies an und machte geltend, dass der Erbvertrag aufgrund der Scheidungsabsicht des Erblassers unwirksam sei.

Das Amtsgericht Soltau hatte den Erbscheinsantrag der Ehefrau zurückgewiesen und festgestellt, dass die Erbeinsetzung gemäß § 2077 BGB unwirksam sei. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Ehefrau, die vor dem OLG Celle erfolglos blieb.

Die Entscheidung des OLG Celle: Erbvertrag erlischt durch Scheidungsabsicht

1. Anwendungsbereich des § 2077 BGB

📌 Grundsatz aus § 2077 Abs. 1 BGB:

  • Eine letztwillige Verfügung zugunsten eines Ehegatten wird unwirksam, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Todes geschieden war oder die Voraussetzungen der Scheidung vorlagen und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte.
  • Grundsätzlich ist § 2077 BGB auf Verfügungen, die vor der Eheschließung getroffen worden sind, nicht anwendbar.
  • Eine Ausnahme gilt aber, wenn der Erbvertrag unmittelbar mit einer bereits feststehenden Eheschließung in Verbindung steht.

📌 Das OLG Celle stellte klar:

  • Der Erbvertrag wurde nur vier Tage vor der bereits feststehenden Eheschließung geschlossen.
  • In der Urkunde wurde der Erblasser bereits als „Ehemann“ bezeichnet, und es war ausdrücklich geregelt, dass „dieser Erbvertrag auch schon vor unserer Eheschließung gelten (soll)“.
  • Daraus folgte, dass der Erbvertrag offensichtlich im Hinblick auf die Ehe abgeschlossen wurde.

Ergebnis: Die erbvertragliche Einsetzung der Ehefrau wurde unwirksam.

2. Zustimmung des Erblassers zur Scheidung genügt für die Unwirksamkeit

📌 Bedeutung der Zustimmung zur Scheidung:

  • Nach § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt es, dass der Erblasser der Scheidung zugestimmt hat – ein formeller Scheidungsausspruch ist nicht erforderlich.
  • Der Erblasser hatte im Verfahrenskostenhilfeverfahren schriftlich erklärt, dass er die Ehe für gescheitert halte und der Scheidung zustimmen wolle.
  • Dies reichte aus, um die Anforderungen des § 2077 BGB zu erfüllen.

Ergebnis: Da die Ehe als gescheitert galt und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte, war die erbvertragliche Erbeinsetzung unwirksam.

3. Kein Erbrecht der Ehefrau nach § 1933 BGB

📌 Wegfall des gesetzlichen Ehegattenerbrechts:

  • Auch das gesetzliche Ehegattenerbrecht nach § 1931 BGB wurde durch § 1933 BGB ausgeschlossen.
  • Wer bei Tod des Erblassers objektiv geschieden werden könnte, verliert das gesetzliche Erbrecht.
  • Die Tatsache, dass das Scheidungsverfahren durch den Tod des Erblassers unterbrochen wurde, ändert daran nichts.

Ergebnis: Die Ehefrau wurde weder aus dem Erbvertrag noch aus der gesetzlichen Erbfolge Erbin.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Celle zeigt die starke Bindung von Verfügungen von Eheleuten an den Fortbestand der Ehe und verdeutlicht die Reichweite des § 2077 BGB:

Grundsätzlich ist § 2077 BGB nicht auf vor der Ehe geschlossene Verfügungen anwendbar.
Eine Ausnahme besteht, wenn der Erbvertrag unmittelbar im Zusammenhang mit einer bereits feststehenden Eheschließung geschlossen wurde.
Eine bloße Zustimmung zur Scheidung kann ausreichen, um die Erbeinsetzung unwirksam zu machen, wenn die übrigen Voraussetzungen der Scheidung vorliegen.
Das gesetzliche Ehegattenerbrecht entfällt, wenn der Erblasser vor seinem Tod die Voraussetzungen der Scheidung geschaffen hat.

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Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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