OLG Hamm: Krankenhaus muss Behandlungsunterlagen vorlegen, damit die Testierfähigkeit geprüft werden kann

In einem Erbscheinsverfahren entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm, dass ein Krankenhaus verpflichtet ist, dem Gericht die Krankenunterlagen einer verstorbenen Erblasserin zur Verfügung zu stellen, damit diese von einem Sachverständigen überprüft werden können (Beschluss vom 13. Juni 2024, Aktenzeichen 10 W 3/23). Die Entscheidung beleuchtet wichtige Aspekte im Zusammenhang mit dem Zugriff auf medizinische Unterlagen nach dem Tod eines Erblassers, insbesondere im Kontext der Ermittlung der Testierfähigkeit.

1. Streit um die Herausgabe der Krankenunterlagen

Die Erblasserin verstarb im Jahr 2021 und hinterließ zwei Testamente. Das erste, privat errichtete Testament aus dem Jahr 1998 bestimmte ihre Schwester zur Alleinerbin. Das zweite, notarielle Testament vom Januar 2017, das während eines Krankenhausaufenthalts auf der Intensivstation errichtet wurde, bestimmte drei andere Personen als Erben.

Die Schwester der Erblasserin beantragte beim Amtsgericht als Nachlassgericht, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist. Dabei stützte sie sich auf das erste Testament und argumentierte, das zweite Testament sei unwirksam, weil die Erblasserin bei ihrem Krankenhausaufenthalt testierunfähig gewesen sei.

Nachdem das Amtsgericht den Erbschein verweigerte und die Schwester dagegen Beschwerde eingelegt hatte, nahm sich das OLG des Falles an. Es forderte vom Krankenhaus die Behandlungsunterlagen an, insbesondere den Aufnahmebefund/-bogen, die sog. „Fieberkurve“, ärztliche, therapeutische und pflegerische Aufzeichnungen und Berichte, Pflegeüberleitungsbogen und den ärztlichen Entlassungsbericht.

Das Krankenhaus verweigerte die Herausgabe der Unterlagen mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht und berief sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht. Das OLG entschied daraufhin in einem sogenannten Zwischenstreit, dass das Krankenhaus zur Vorlage der Unterlagen verpflichtet ist. Es erlegte dem Krankenhaus außerdem die Kosten des Zwischenstreitverfahrens auf.

2. Entscheidung des Gerichts

Das OLG Hamm entschied, dass die Krankenunterlagen der Erblasserin herausgegeben werden müssen, um die Frage der Testierfähigkeit zu klären. Nach § 2229 Abs. 4 BGB ist eine Verfügung von Todes wegen unwirksam, wenn sie im Zustand der Testierunfähigkeit errichtet wurde.

a) Aufklärung der Testierfähigkeit

Das Gericht betonte, dass die Klärung der Testierfähigkeit im Interesse eines Erblassers liegt, um sicherzustellen, dass seine Verfügung von Todes wegen auch wirklich seinem freien und unbeeinflussten Willen entspricht.

n) Mutmaßlicher Wille des Erblassers

Weiter führte das OLG aus: Die Rechte aus der ärztlichen Schweigepflicht seien unvererblich, so dass Nachkommen nicht über die ärztliche Schweigepflicht bestimmen können. Das OLG bezog sich deshalb auf den mutmaßlichen Willen der Erblasserin und stellte fest, in der Regel sei davon auszugehen, dass ein Erblasser ein Interesse daran hat, dass die Frage seiner Testierfähigkeit geklärt wird. Dies entspreche dem Willen der meisten Erblasser, deren letzter Wille durch das Testament zur Geltung gebracht werden soll.

4. Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Hamm verdeutlicht, wie der Zugriff auf medizinische Unterlagen zur Klärung der Testierfähigkeit in einem Erbscheinsverfahren gerichtlich durchgesetzt werden kann.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Hamm zeigt, wie wichtig es ist, im Erbfall Klarheit über die Testierfähigkeit des Erblassers zu schaffen. Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre Rechte als Erbe durchzusetzen und notwendige Informationen zur Aufklärung von Erbangelegenheiten zu erhalten.

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