OLG Hamm zur Bösgläubigkeit einer Testamentsvollstreckerin

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 13. September 2024 von Tobias Goldkamp

1. Sachverhalt

Die Parteien des Verfahrens sind Geschwister, die nach dem Tod ihres Stiefvaters, des Erblassers, eine Erbengemeinschaft bildeten. Der Erblasser hinterließ mehrere Testamente. In einem handschriftlichen Testament vom 05.12.2013 hatte er seinen Stiefenkeln einen Vermächtnisanspruch über eine Immobilie eingeräumt. In einem späteren Testament vom 01.05.2015 widerrief er jedoch alle früheren Verfügungen von Todes wegen.

Die Beklagte, die Testamentsvollstreckerin, handelte nach dem früheren Testament und übertrug den Miteigentumsanteil an der Immobilie unentgeltlich auf ihre Kinder. Später erwarb sie die Immobilie selbst von ihren Kindern, was zu einer Eintragung als Alleineigentümerin im Grundbuch führte. Der Kläger, ebenfalls Teil der Erbengemeinschaft, klagte auf Berichtigung des Grundbuchs und machte geltend, dass die unentgeltliche Übertragung wegen des Widerrufs des Vermächtnisses unwirksam sei.

2. Entscheidung des Gerichts

Das OLG Hamm entschied zugunsten des Klägers und ordnete die Berichtigung des Grundbuchs an. Es stellte fest, dass die Testamentsvollstreckerin mit der unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils an ihre Kinder gegen § 2205 S. 3 BGB verstoßen habe. Nach dieser Norm darf der Testamentsvollstrecker unentgeltliche Verfügungen nur dann vornehmen, wenn sie sittlichen Pflichten oder Rücksichten auf den Anstand entsprechen. Da das Vermächtnis durch das spätere Testament widerrufen worden war, bestand kein wirksamer Anspruch der Enkelkinder auf die Immobilie. Die Voraussetzungen für eine Anstands- oder Pflichtschenkung lagen ebenfalls nicht vor.

a) Unentgeltliche Verfügung und Widerruf des Vermächtnisses

Das Gericht beurteilte die Übertragung als unwirksam, da das Vermächtnis aufgrund des Testaments vom 01.05.2015 widerrufen worden war. Daher stellte die Verfügung der Testamentsvollstreckerin eine unentgeltliche und somit unzulässige Verfügung dar. Dies führte zur Nichtigkeit der Übertragung gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 2205 S. 3 BGB.

b) Gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen

Die Beklagte argumentierte, sie habe die Immobilie später gutgläubig von ihren Kindern erworben, die bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen waren. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass ein gutgläubiger Erwerb nach § 892 BGB ausgeschlossen ist, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit des Grundbuchs kennt oder sich dieser bewusst verschließt. In diesem Fall war die Beklagte aufgrund ihrer Stellung als Testamentsvollstreckerin über die Unwirksamkeit des Vermächtnisses und der unentgeltlichen Verfügung ausreichend informiert, sodass sie sich nicht auf gutgläubigen Erwerb berufen konnte. Dabei berücksichtigte das Gericht, dass die Beklagte Rechtsanwältin war und somit auch aufgrund ihrer juristischen Ausbildung davon auszugehen war, dass sie über die Unwirksamkeit des Vermächtnisses Bescheid wusste.

3. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Hamm verdeutlicht die Grenzen der Handlungsmacht eines Testamentsvollstreckers. Unentgeltliche oder teilentgeltliche Verfügungen kann er nur vornehmen, wenn sie sittlichen Pflichten oder Rücksichten auf den Anstand entsprechen. Das ist insbesondere bei hohen Werten selten der Fall. Zudem bestätigt das Urteil, dass Testamentsvollstrecker für fehlerhafte Verfügungen haften können, und es unterstreicht die Bedeutung der genauen Prüfung von Widerrufs- und Vermächtnisanordnungen in Testamenten.

4. Unterstützung durch unsere Kanzlei

Unsere Kanzlei berät Sie umfassend bei Fragen zur Testamentsvollstreckung, zur Erbengemeinschaft und zu allen Aspekten der Nachlassabwicklung. Insbesondere unterstützen wir Sie dabei, unzulässige Verfügungen im Nachlassrecht zu erkennen und Ihre Ansprüche zu sichern.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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