OLG Schleswig zum Erbfolgenachweis bei Pflichtteilsstrafklausel

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 4. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

In einem erbrechtlichen Fall hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig klargestellt, dass ein notarielles Testament mit einer Pflichtteilsstrafklausel nicht ausreicht, um die Erbfolge nachzuweisen und eine Grundbuchberichtigung durchzuführen (Beschluss vom 16. August 2024 – 2 W 46/24). Diese Entscheidung verdeutlicht die zusätzlichen Anforderungen, die eine Pflichtteilsstrafklausel im Erbfall mit sich bringt, insbesondere im Hinblick auf die Nachweisführung gegenüber dem Grundbuchamt.

1. Hintergrund des Falls

Der Erblasser und seine Ehefrau hatten 2001 ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Für den Fall des Todes beider Ehegatten wurden die vier Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Das Testament enthielt außerdem eine Pflichtteilsstrafklausel, wonach ein Kind, das nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten seinen Pflichtteil geltend macht, von der Erbfolge nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten ausgeschlossen wird.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2022 beantragten die vier Kinder als Erben die Berichtigung des Grundbuchs. Das Grundbuchamt verweigerte jedoch die Eintragung, da es aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel Zweifel an der Erbfolge hatte und die Vorlage eines Erbscheins forderte.

2. Entscheidung des OLG Schleswig

Das OLG Schleswig bestätigte die Entscheidung des Grundbuchamts und stellte klar, dass ein notarielles Testament, das eine Pflichtteilsstrafklausel enthält, als alleiniger Nachweis der Erbfolge nicht genügt. Die Pflichtteilsstrafklausel stellt eine auflösende Bedingung dar, die die Erbfolge beeinflussen kann, wenn ein Erbe nach dem Tod des ersten Ehegatten den Pflichtteil geltend gemacht hat. In einem solchen Fall wird dieser Erbe von der Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten ausgeschlossen. Deshalb ist es notwendig, dass das Grundbuchamt prüft, ob diese Bedingung eingetreten ist.

a) Anwendung von § 35 Abs. 1 GBO

Gemäß § 35 Abs. 1 Grundbuchordnung (GBO) kann der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich entweder durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis erfolgen. Wenn die Erbfolge jedoch auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde – also einem notariellen Testament oder einem Erbvertrag – enthalten ist, genügt es, diese Verfügung sowie die Niederschrift über die Eröffnung des Testaments vorzulegen.

Allerdings hat das Grundbuchamt das Recht, einen Erbschein zu verlangen, wenn es die Erbfolge durch die vorgelegten Urkunden nicht für ausreichend nachgewiesen erachtet. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Pflichtteilsstrafklausel existiert, darf das Grundbuchamt Zweifel an der eindeutigen Erbfolge haben und daher einen Erbschein fordern, um sicherzustellen, dass die Bedingung der Erbeinsetzung nicht eingetreten ist.

b) Erklärungen nach § 29 GBO

Das OLG Schleswig betonte, dass es alternativ zu einem Erbschein auch möglich ist, dass die Erben durch Erklärungen nach § 29 GBO nachweisen, dass die Pflichtteilsstrafklausel nicht ausgelöst wurde. Es genügt, wenn alle Erben eine gemeinsame notarielle Erklärung abgeben oder individuell erklären, dass keiner von ihnen den Pflichtteil nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten geltend gemacht hat. Diese Erklärungen müssen eindeutig belegen, dass die auflösende Bedingung nicht eingetreten ist.

c) Keine automatische Umschreibung des Grundbuchs

Das Gericht stellte klar, dass ein notarielles Testament allein in Fällen mit einer Pflichtteilsstrafklausel nicht ausreicht, um die Grundbuchumschreibung automatisch durchzuführen. Ein Erbschein ist nur dann entbehrlich, wenn durch Erklärungen oder sonstige Nachweise zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass die auflösende Bedingung nicht eingetreten ist. Fehlt ein solcher Nachweis, darf das Grundbuchamt die Umschreibung verweigern und einen Erbschein verlangen.

3. Allgemeine Voraussetzungen für die Grundbuchumschreibung durch notarielle Verfügungen von Todes wegen

Grundsätzlich kann eine Grundbuchumschreibung auch ohne Erbschein erfolgen, wenn die Erbfolge auf einer notariellen Verfügung von Todes wegen basiert. Gemäß § 35 Abs. 1 GBO genügt es, das notarielle Testament oder den Erbvertrag zusammen mit der Eröffnungsniederschrift vorzulegen. Diese Regelung soll die Erben von den Kosten eines Erbscheins und dem Zeitaufwand eines Erbscheinsverfahrens entlasten.

Jedoch gibt es Ausnahmen, in denen das Grundbuchamt zusätzlich einen Erbschein verlangen darf, insbesondere wenn:

  • die Verfügung von Todes wegen unklare oder bedingte Erbeinsetzungen enthält (wie z. B. bei einer Pflichtteilsstrafklausel),
  • Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bestehen,
  • Unklarheiten über die Identität der Erben oder deren Anteile bestehen.

In solchen Fällen reicht die Vorlage der notariellen Verfügung und der Eröffnungsniederschrift nicht aus, um die Erbfolge zweifelsfrei zu belegen, und das Grundbuchamt kann einen Erbschein verlangen.

4. Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Schleswig zeigt deutlich, dass Testamente mit Pflichtteilsstrafklauseln zusätzliche Anforderungen im Erbfall mit sich bringen, die sich auf die Umschreibung des Grundbuchs auswirken können. In Fällen, in denen eine Pflichtteilsstrafklausel enthalten ist, können notarielle Erklärungen der Erben nach § 29 GBO ausreichen, um den Eintritt der Bedingung auszuschließen. In anderen Fällen bleibt jedoch der Erbschein der sicherste Weg, um die Erbfolge nachzuweisen und die Berichtigung des Grundbuchs zu erreichen.

Fazit

Eine notarielle Verfügung von Todes wegen kann unter bestimmten Voraussetzungen ausreichen, um eine Grundbuchumschreibung ohne Erbschein zu ermöglichen. Wenn die Verfügung jedoch eine Pflichtteilsstrafklausel enthält, müssen die Erben zusätzliche Nachweise erbringen, um den Ausschluss eines Erben zu belegen. In solchen Fällen kann es erforderlich sein, einen Erbschein zu beantragen oder notarielle Erklärungen nach § 29 GBO abzugeben. Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der rechtlichen Gestaltung von Testamenten und Erbverträgen sowie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche im Grundbuchverfahren.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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