Pflichtteilsstrafklausel: Ein Überblick

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 30. August 2024 von Tobias Goldkamp

Die Pflichtteilsstrafklausel ist ein zentrales Instrument im Erbrecht, das häufig in gemeinschaftlichen Testamenten, insbesondere in Berliner Testamenten, verwendet wird. Ihr Hauptziel ist es, den Nachlass des erstversterbenden Ehegatten zu schützen und den überlebenden Ehegatten vor finanziellen Belastungen zu bewahren. Doch wie genau funktioniert diese Klausel, und welche Folgen hat sie für die Erben?

Ziel und Funktion der Pflichtteilsstrafklausel

Die Pflichtteilsstrafklausel dient mehreren Zwecken:

  • Schutz des Nachlasses: Sie soll verhindern, dass der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten durch Pflichtteilsansprüche gemindert wird, wodurch der überlebende Ehegatte möglicherweise wertvolle Nachlassgegenstände verkaufen müsste.
  • Disziplinierung der Erben: Die Klausel macht die Geltendmachung des Pflichtteils unattraktiv und belohnt diejenigen Kinder, die auf ihren Pflichtteil verzichten und damit den Nachlass unangetastet lassen.
  • Stärkung des überlebenden Ehegatten: Sie befreit den überlebenden Ehegatten von der Pflicht, Pflichtteilsansprüche auszuzahlen, und sorgt dafür, dass er den Nachlass ungeschmälert bis zu seinem Tod nutzen kann.

Auslösung der Pflichtteilsstrafklausel

Die Pflichtteilsstrafklausel wird ausgelöst, wenn ein pflichtteilsberechtigter Erbe nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten seinen Pflichtteil einfordert. Dies gilt unabhängig davon, ob der Pflichtteil tatsächlich ausgezahlt wird; es reicht aus, dass der Erbe den Pflichtteil verlangt. Das Verlangen muss bewusst und ernsthaft erfolgen. Das bloße Anregen eines Erbscheinsverfahrens reicht nicht aus, um die Klausel auszulösen, da dies noch keinen aktiven Zugriff auf den Nachlass ermöglicht.

Bedeutung der Kenntnis der Klausel

Für die Wirksamkeit der Pflichtteilsstrafklausel ist es entscheidend, dass der Erbe in Kenntnis der Klausel handelt. Es kommt nicht darauf an, ob sein Verhalten vorwerfbar ist; entscheidend ist, dass der Erbe bewusst gegen die Klausel verstößt. Diese Kenntnis ist notwendig, um die Sanktion – den Verlust der Schlusserbeneinsetzung – auszulösen.

Ausnahmen und besondere Konstellationen

In einigen Fällen greift die Pflichtteilsstrafklausel nicht, selbst wenn der Pflichtteil geltend gemacht wird. Ein Beispiel ist das sogenannte Behindertentestament, bei dem der Sozialhilfeträger den Pflichtteil im Rahmen eines gesetzlichen Überleitungsanspruchs einfordert. In solchen Fällen soll das behinderte Kind nicht durch die Klausel benachteiligt werden, da es in der Regel nicht aus eigenem Willen handelt.

Auswirkungen der Pflichtteilsstrafklausel im zweiten Erbfall

Wird die Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst, verliert der Erbe seine Stellung als Schlusserbe, und sein Erbteil wächst den übrigen Schlusserben an. Dies kann dazu führen, dass die Erbenkonstellation im zweiten Erbfall erheblich verändert wird. Die Klausel kann auch so ausgestaltet sein, dass der freigewordene Erbteil einem Ersatzberufenen zufällt.

Gestaltungsmöglichkeiten und rechtliche Beratung

Die Pflichtteilsstrafklausel bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, um den Nachlass im Sinne des Erblassers zu sichern und unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden. Beispielsweise können die Eheleute durch Vermächtnisse oder andere Anordnungen den Nachlass so gestalten, dass der Pflichtteilsanspruch im zweiten Erbfall minimiert wird.

Alternativen

Eine Alternative zur Pflichtteilsstrafklausel ist, dem überlebenden Ehegatten eine Abänderungsbefugnis hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung zuzugestehen, entweder generell oder beschränkt und bedingt hinsichtlich desjenigen Abkömmlings, der den Pflichtteil verlangt.

Noch besser ist, wenn die Eltern den Kindern schon zu Lebzeiten Vermögen zukommen lassen können. Dabei kann ein notariell zu beurkundender Pflichtteilsverzicht vereinbart werden (§§ 2346 Abs. 2, 2347, 2348 BGB).

Fazit

Durch eine Pflichtteilsstrafklausel kann der Pflichtteil nicht entzogen werden.

Sie kann einen Anreiz setzen, dass Kinder davon absehen, ihren Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil geltend zu machen. Der Anreiz kann jedoch gering sein, wenn

  • dem Kind daran gelegen ist, zeitnah Geld zu bekommen,
  • der längerlebende Ehegatte noch eine lange Lebenserwartung hat,
  • ein Vermögensschwund bis zum Schlusserbfall zu befürchten ist oder
  • eine bindende Schlusserbeneinsetzung fehlt.

Liegt einer dieser Punkte vor, kann es für das Kind wirtschaftlich sinnvoller sein, den Pflichtteil geltend zu machen und die Sanktionswirkung der Klausel in Kauf zu nehmen.

Die Pflichtteilsstrafklausel ist ein wichtiges Werkzeug, um den Nachlass des überlebenden Ehegatten zu schützen und die Erben zu disziplinieren. Ihre Anwendung erfordert jedoch eine sorgfältige rechtliche Gestaltung und eine präzise Formulierung, um sicherzustellen, dass sie ihren Zweck erfüllt.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der Erstellung Ihres Testaments und berät Sie umfassend zu den Möglichkeiten und Auswirkungen der Pflichtteilsstrafklausel.

Wir helfen auch Pflichtteilsberechtigten bzw. Kindern von Verstorbenen, zu prüfen und abzuwägen, ob der Pflichtteil beim Tod des ersten Elternteils geltend gemacht werden sollte.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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