Pflichtteilsentziehung ist selten wirksam

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 12. Oktober 2015 von Tobias Goldkamp

Themen: Erbrechtliche Ansprüche

Der Pflichtteil ist – wie der Name schon sagt – verpflichtend und kann vom Erblasser nicht einfach entzogen werden. Ordnet der Erblasser im Testament die Entziehung des Pflichtteils an, ist diese Anordnung häufig unwirksam. So auch in dem Fall, den das OLG Frankfurt am Main mit Urteil vom 29.10.2013 – 15 U 61/12 – entschied. Die Pflichtteilsberechtigte hatte sich geweigert, den Erblasser nach einem Unfall persönlich zu pflegen. Trotzdem steht ihr der Pflichtteil zu:

„Der von dem Erblasser im Testament angegebene Grund für seine letztwillige Verfügung, nämlich die Verweigerung von Pflege und Hilfe durch die Klägerin, erfüllt – wie von der 4. Zivilkammer zutreffend erkannt – schon deshalb nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB, weil weder behauptet noch anderweitig ersichtlich ist, dass die im Zeitpunkt des von dem Erblasser im Jahre 1991 erlittenen Unfalls erst 16-jährige Klägerin dem ohnehin nicht im Sinne des § 1602 Abs. 1 BGB bedürftigen Erblasser gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet gewesen wäre.

Da Unterhalt grundsätzlich nur als Geldleistung (§ 1612 BGB) geschuldet wird, kann überdies die Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf Versagung persönlicher Pflege im Krankheitsfall gestützt werden (vgl. Joachim, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Handbuch des Erbrechts, 2. Aufl. 2010, Kap. 4, Rdnr. 187; Mayer, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.05.2013, § 2333, Rdnr. 17; Olshausen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 2333, Rdnr. 16).

Es kommt hinzu, dass für eine böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht die bloße Leistungsverweigerung nicht genügt, sondern diese auf einer verwerflichen Gesinnung beruhen muss (vgl. etwa Joachim, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Handbuch des Erbrechts, 2. Aufl. 2010, Kap. 4, Rdnr. 187; Lange, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 9, 6. Aufl. 2013, § 2333, Rdnr. 32; Mayer, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.05.2013, § 2333, Rdnr. 17; Olshausen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 2333, Rdnr. 16). Entsprechende Anhaltspunkte fehlen hier.“

Der Pflichtteil kann nur in wenigen Ausnahmefällen wirksam entzogen werden. Diese Ausnahmen sind in § 2333 BGB abschließend geregelt. Demnach kann der Erblasser den Pflichtteil nur entziehen, wenn der Pflichtteilsberechtigte

„1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,

2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,

3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder

4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.“

Tobias Goldkamp

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131-718190

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