Testamentsvollstrecker setzt unwirksames Testament um: Haftung

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 5. Februar 2025 von Tobias Goldkamp

Darf ein Testamentsvollstrecker handeln, obwohl er von der Unwirksamkeit des Testaments weiß? Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat in seinem Urteil vom 22. Juli 2024 (Az.: 6 U 49/23) entschieden, dass ein Testamentsvollstrecker, der trotz Kenntnis oder Kennenmüssens der Testierunfähigkeit des Erblassers das Testament vollzieht, den tatsächlichen Erben haftet.

Der Fall

Eine schwer erkrankte und spätestens seit dem 13. März 2006 testierunfähige Erblasserin errichtete am 15. März 2006 ein notarielles Testament, in dem sie eine gemeinnützige Organisation als Alleinerbin und zwei Personen mit Geldvermächtnissen bedachte. Einer dieser Begünstigten war zugleich ihr gerichtlich bestellter Betreuer, der sich in diesem Testament auch als Testamentsvollstrecker eintragen ließ.

Nach dem Tod der Erblasserin am 18. März 2006 übernahm der Betreuer das Amt des Testamentsvollstreckers und setzte das Testament um, obwohl er über die Testierunfähigkeit der Erblasserin informiert war. Er nahm die Vergütung für sein Amt entgegen und veranlasste Überweisungen an die anderen Begünstigten.

Später erfuhren die gesetzlichen Erben, dass das Testament wegen der Testierunfähigkeit der Erblasserin unwirksam war. Sie forderten daraufhin die Rückabwicklung der Maßnahmen und erhoben Schadensersatzansprüche gegen den vermeintlichen Testamentsvollstrecker.

Entscheidung des OLG Celle

Das OLG Celle gab den Erben Recht und stellte fest, dass der vermeintliche Testamentsvollstrecker haftet. Die zentralen Erwägungen:

  1. Haftung nach § 2219 BGB
    • Nach § 2219 BGB haftet ein Testamentsvollstrecker für Schäden, die er den tatsächlichen Erben zufügt, wenn er seine Amtspflichten verletzt.
  2. Kenntnis oder Kennenmüssen der Testierunfähigkeit
    • Der Testamentsvollstrecker war langjähriger Betreuer der Erblasserin und wusste von ihrem geistigen Zustand.
    • Er hatte selbst gegenüber Behörden angegeben, dass sie nicht mehr geschäftsfähig sei.
  3. Unrechtmäßige Verfügungen aus dem Nachlass
    • Die vom Testamentsvollstrecker veranlassten Überweisungen – einschließlich seiner eigenen Vergütung – waren unzulässig, da das Testament mangels Wirksamkeit keine Rechtsgrundlage bot.
    • Die Erben konnten daher Rückzahlung verlangen.
  4. Parallele strafrechtliche Haftung aus § 266 StGB (Untreue)
    • Der Fall wurde bereits strafrechtlich durch den BGH beurteilt (Beschluss vom 19. Dezember 2018, Az.: 3 StR 263/18).
    • Der Testamentsvollstrecker wurde wegen fünf Fällen der Untreue verurteilt, da er nach dem Tod der Erblasserin den Nachlass um erhebliche Beträge geschmälert hatte.
  5. Postmortale Vermögensbetreuungspflicht des Betreuers
    • Der BGH stellte fest, dass ein gerichtlich bestellter Betreuer auch nach dem Tod der betreuten Person eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Erben hat.
    • Er ist verpflichtet, das Vermögen den tatsächlichen Erben zu übergeben.
    • Im vorliegenden Fall verstieß der Betreuer gegen diese Pflicht, indem er das Testament umsetzte, obwohl er von dessen Unwirksamkeit wusste.

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil des OLG Celle und die vorhergehende Entscheidung des BGH verdeutlichen, dass sich Testamentsvollstrecker und Betreuer nicht auf formale Ernennungen berufen können, wenn sie von der Unwirksamkeit eines Testaments wissen oder wissen müssten. Sie haften sowohl zivilrechtlich für die Rückzahlung zu Unrecht veranlasster Vermögensverschiebungen als auch strafrechtlich wegen Untreue.

Fazit

Diese Entscheidungen setzen ein klares Signal: Wer als Testamentsvollstrecker tätig wird, obwohl er die Unwirksamkeit des Testaments kennt oder hätte erkennen müssen, riskiert erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen.

Unsere Kanzlei berät Sie zu allen Fragen der Testamentsvollstreckung und Haftung. Kontaktieren Sie uns für eine fundierte rechtliche Einschätzung!

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

Themen

Nach oben scrollen