Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 13. Juni 2024 (Az.: V ZR 178/23) eine grundlegende Entscheidung zur Verfahrensunterbrechung und -aussetzung nach dem Tod einer Partei getroffen. Diese Entscheidung beleuchtet die verfahrensrechtlichen Konsequenzen, wenn während eines Rechtsstreits eine Partei verstirbt und welche Auswirkungen dies auf die Fortführung des Prozesses hat.
1. Verfahrensunterbrechung bei Tod einer Partei (§ 239 ZPO)
Stirbt eine Partei während eines laufenden Rechtsstreits, wird das Verfahren nach § 239 ZPO automatisch unterbrochen. Dies bedeutet, dass der Prozess bis zur Klärung der Erbenstellung und der Frage, ob die Erben das Verfahren fortführen möchten, nicht weitergeführt werden kann. Die Unterbrechung dient dem Schutz der Erben, die zunächst die Möglichkeit haben müssen, sich über die Fortführung des Prozesses zu entscheiden.
2. Keine Unterbrechung bei anwaltlicher Vertretung – Aussetzung des Verfahrens (§ 246 ZPO)
Ist die verstorbene Partei anwaltlich vertreten, tritt keine automatische Unterbrechung des Verfahrens ein. In einem solchen Fall kann der Prozess jedoch auf Antrag eines beteiligten Anwalts nach § 246 ZPO ausgesetzt werden. Dieser Antrag kann jederzeit gestellt werden, da für die Antragstellung keine Frist vorgesehen ist. Die Aussetzung ermöglicht es, das Verfahren solange ruhen zu lassen, bis die Erben über die Fortsetzung des Prozesses entscheiden.
3. Kein Fall der Verfahrensaussetzung bei Tod vor Rechtshängigkeit
Stirbt der Kläger, bevor die Klage rechtshängig wird, das heißt, bevor sie der Beklagtenseite zugestellt wird, greift § 239 ZPO nicht. In diesem Fall gilt die Klage als im Namen der Erben des Klägers erhoben. Dies bedeutet, dass die Erben von Anfang an als Kläger gelten und das Verfahren ohne Unterbrechung weitergeführt werden kann.
4. Keine Ausdehnung der Unterbrechung auf andere Prozessbeteiligte bei fehlender notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO)
Die Unterbrechung des Verfahrens erstreckt sich nur auf andere Prozessbeteiligte, die mit der verstorbenen Partei auf einer Seite des Rechtsstreits stehen, wenn eine notwendige Streitgenossenschaft gemäß § 62 ZPO vorliegt. Im Falle einer Nachlassforderung gilt jedoch, dass auf Klägerseite keine notwendige Streitgenossenschaft besteht. Nach § 2039 BGB ist jeder Miterbe allein berechtigt, Nachlassforderungen zugunsten der Erbengemeinschaft einzuklagen. Dies bedeutet, dass der Tod eines Miterben das Verfahren nicht insgesamt unterbricht, sondern die verbleibenden Miterben das Verfahren fortführen können.
5. Teilentscheidung trotz Unterbrechung oder Aussetzung möglich
Wird das Verfahren aufgrund des Todes eines Prozessbeteiligten unterbrochen oder ausgesetzt, können über die verbleibenden, nicht betroffenen Prozessrechtsverhältnisse dennoch Teilurteile oder Teilbeschlüsse ergehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Gefahr besteht, dass in dem unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahren später widersprüchliche Entscheidungen getroffen werden könnten. Der BGH hat klargestellt, dass der Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz Vorrang hat. Eine Entscheidung darf nicht unnötig verzögert werden, nur weil die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen in der Zukunft besteht.
Fazit
Diese Entscheidung des BGH verdeutlicht die Wichtigkeit einer sorgfältigen Beachtung der Verfahrensregeln im Falle des Todes eines Prozessbeteiligten. Insbesondere zeigt sie, wie flexibel die Gerichte mit den Vorschriften zur Verfahrensunterbrechung und -aussetzung umgehen können, um den effektiven Rechtsschutz der übrigen Prozessbeteiligten zu gewährleisten.
Wenn Sie Fragen zur Verfahrensunterbrechung oder -aussetzung haben oder rechtliche Unterstützung in einem laufenden Verfahren benötigen, steht Ihnen unsere Kanzlei mit ihrer Expertise im Verfahrensrecht gerne zur Verfügung.