Teilerbauseinandersetzung durchsetzen – Voraussetzungen und rechtliche Grundlagen

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 23. November 2024 von Tobias Goldkamp

Fehlt die Zustimmung eines Miterben dazu, den Nachlass auseinander zu setzen, kann grundsätzlich nur die Auseinandersetzung des Gesamtnachlasses erzwungen werden (sogenannte Erbauseinandersetzung). Unter bestimmten Voraussetzungen ist ausnahmsweise möglich, nur einen Teil des Nachlasses auseinanderzusetzen (Teilerbauseinandersetzung), so dass die Erbengemeinschaft sich hinsichtlich des übrigen Nachlasses fortsetzt.

1. Grundlegende Unterscheidung

Stets möglich ist eine einvernehmliche Teilerbauseinandersetzung. Wenn alle Miterben zustimmen, können Sie den Nachlass insgesamt oder auch nur teilweise auseinandersetzen.

Fehlt die Zustimmung eines Miterben, kann eine Teilerbauseinandersetzung unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich erzwungen werden.

2. Rechtsprechung zur Teilerbauseinandersetzung

a) BGH-Entscheidung vom 13. März 1963 (Az. V ZR 208/61): Teilerbauseinandersetzung wegen wirtschaftlicher Vorteile

In dieser Entscheidung entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass eine Teilerbauseinandersetzung zulässig ist, wenn ein Miterbe unrechtmäßig wirtschaftliche Vorteile aus dem Nachlass zieht. Im konkreten Fall hatte ein Miterbe einen gewerblichen Betrieb fortgeführt und die erzielten Gewinne einbehalten. Die übrigen Miterben konnten daher die Teilung der Nachlassgegenstände verlangen, um ihre Ansprüche auf die Gewinne geltend zu machen.

b) BGH-Entscheidung vom 14. März 1984 (Az. IVa ZR 87/82): Voraussetzungen der Teilerbauseinandersetzung

Der BGH stellte klar, dass ein Anspruch auf teilweise Auseinandersetzung des Nachlasses zwar die Ausnahme ist, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen bestehen kann:

„Der Anspruch gem. § 2042 I BGB geht auf die Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses. Deshalb soll die Auseinandersetzungsklage im allgemeinen zu einer vollständigen Abwicklung des Erbfalles führen. Hiervon werden im Hinblick auf die zahlreichen Schwierigkeiten, die mit der Auseinandersetzung verbunden sein können, allerdings vielfach Ausnahmen zugelassen, wenn besondere Gründe dafür sprechen. So kann eine gegenständlich beschränkte Teilauseinandersetzung etwa dann begehrt werden, wenn Nachlaßverbindlichkeiten nicht mehr bestehen und berechtigte Belange der Erbengemeinschaft und der einzelnen Miterben nicht gefährdet werden.“

c) KG-Entscheidung vom 1. Juli 2002 (Az. 12 U 9767/00): Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft

Das Kammergericht (KG) entschied, dass der Anspruch eines Miterben auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft grundsätzlich auf den gesamten Nachlass gerichtet ist und eine Teilerbauseinandersetzung nur dann in Betracht kommt, wenn besondere Gründe vorliegen und berechtigte Belange der Erbengemeinschaft oder einzelner Miterben nicht beeinträchtigt werden​. In diesem Fall verlangte der Kläger die Teilung bestimmter Grundstücke, doch das Gericht wies die Klage ab, da die Voraussetzungen für eine Teilerbauseinandersetzung nicht vorlagen.

d) OLG Rostock vom 27. März 2009 (Az. 3 W 18/09): Teilungsanordnung und Nachlassverbindlichkeiten

Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock stellte fest, dass eine testamentarische Teilungsanordnung allein nicht ausreicht, um eine Teilerbauseinandersetzung durchzusetzen. Es müssen keine wesentlichen Nachlassverbindlichkeiten mehr bestehen, bevor einzelne Nachlassgegenstände geteilt werden dürfen. In diesem Fall konnte eine Teilerbauseinandersetzung nicht stattfinden, da noch offene Nachlassverbindlichkeiten existierten, die zuerst beglichen werden mussten.

e) OLG Dresden vom 18. Juni 2010 (Az. 3 U 1322/09): Teilerbauseinandersetzung trotz Verbindlichkeiten

Das OLG Dresden entschied, dass eine Teilerbauseinandersetzung ausnahmsweise auch dann zulässig ist, wenn noch Nachlassverbindlichkeiten bestehen, sofern ausreichend Mittel zur Begleichung dieser Verbindlichkeiten im Nachlass verbleiben. Im konkreten Fall bestand der Nachlass aus Bankguthaben und Grundstückserlösen, und es konnte sichergestellt werden, dass die Begleichung der Verbindlichkeiten durch die Teilerbauseinandersetzung nicht gefährdet war.

f) OLG Köln vom 12. Januar 2023 (Az. 24 U 20/22): Zwangsversteigerung in einer Bruchteilsgemeinschaft

Das OLG Köln bestätigte, dass eine Zwangsversteigerung eines Grundstücks aus einer Erbengemeinschaft zulässig ist, wenn keine Nachlassverbindlichkeiten mehr bestehen. Eine Teilerbauseinandersetzung ist in diesem Fall zulässig, da die Rechte der übrigen Erben durch die Versteigerung nicht beeinträchtigt wurden.

3. Besondere Voraussetzungen der Teilerbauseinandersetzung

Ein Anspruch auf Teilerbauseinandersetzung besteht unter folgenden Voraussetzungen:

  1. Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten: Offene Verbindlichkeiten müssen entweder vollständig beglichen sein oder es muss gewährleistet sein, dass genug Nachlassmittel zur Begleichung verbleiben.
  2. Besondere wirtschaftliche Gründe: Wenn ein Miterbe aus dem Nachlass wirtschaftliche Vorteile zieht, die die übrigen Miterben benachteiligen, kann dies eine Teilerbauseinandersetzung rechtfertigen.
  3. Keine Beeinträchtigung der übrigen Miterben: Die Teilung darf die Rechte und Ansprüche der anderen Miterben nicht gefährden.

4. Fazit und Unterstützung durch unsere Kanzlei

Der Anspruch auf teilweise Erbauseinandersetzung besteht nur in bestimmten Fällen, so dass sorgfältig zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen vorliegen. In vielen Fällen können die Voraussetzungen herbeigeführt werden. Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der Durchsetzung oder Abwehr einer Teilerbauseinandersetzung und begleitet Sie bei der Wahrung Ihrer Rechte innerhalb der Erbengemeinschaft.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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