Wie wird ein gemeinschaftliches Testament ausgelegt?

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 31. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments sind einige Besonderheiten zu beachten. Es wird auch Ehegattentestament genannt, weil es nur von Ehegatten errichtet werden kann. Dabei kommt es häufig vor, dass sich Fragen zur Auslegung und zur rechtlichen Bindungswirkung der getroffenen Verfügungen ergeben.

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Grundsatz der gemeinsamen Auslegung

Gemeinschaftliche Testamente unterscheiden sich in ihrer Auslegung wesentlich von einseitigen Verfügungen von Todes wegen. Denn es ist der Wille beider Testatoren zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die Auslegung auch den Willen des verstorbenen Ehegatten zu berücksichtigen hat, nicht nur den Willen des länger lebenden. Dieser Grundsatz basiert auf dem Gedanken, dass gemeinschaftliche Testamente in der Regel auf gegenseitigen Absprachen und einer abgestimmten Willensbildung beruhen.

Wechselbezüglichkeit von Verfügungen

Ein zentraler Begriff bei der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente ist die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen. Wechselbezügliche Verfügungen sind solche, die in ihrer Wirksamkeit von der Verfügung des anderen Ehegatten abhängen. Beispielsweise setzen sich Ehegatten oft gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen einen Dritten als Schlusserben. Die Wechselbezüglichkeit bedeutet, dass die Verfügung des einen Ehegatten nur wirksam ist, wenn auch die des anderen besteht.

Deshalb können wechselbezügliche Verfügungen nur gemeinsam oder durch eine notariell zu beurkundende und in Ausfertigung dem anderen Ehegatten zuzustellende Erklärung widerrufen werden.

Stirbt der Erstversterbende, kann der überlebende Ehegatte an die für den späteren Erbfall getroffenen Verfügungen gebunden sein.

Bedeutung des § 2269 BGB

§ 2269 BGB spielt bei der Auslegung eine besondere Rolle. Er regelt die Auslegung, wenn Ehegatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben einsetzen und einen Dritten als Schlusserben bestimmen. Nach der Vorschrift ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Dritte erst nach dem längerlebenden Ehegatten erbt und bis dahin keine Rechte hat.

Auslegung nach dem Empfängerhorizont

Bei der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente ist auch der Empfängerhorizont zu beachten. Das bedeutet, dass nicht nur der subjektive Wille eines einzelnen Ehegatten entscheidend ist, sondern auch, wie die Verfügungen vom anderen Ehegatten zu verstehen waren.

Hypothetischer Wille und ergänzende Auslegung

Ist der tatsächliche Wille der Erblasser nicht eindeutig feststellbar, kann es zu einer ergänzenden Auslegung kommen. Diese orientiert sich am hypothetischen Willen der Testatoren, also daran, was die Erblasser wahrscheinlich gewollt hätten, wenn sie die aktuelle Situation bedacht hätten. Eine solche ergänzende Auslegung muss sich jedoch immer im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen und darf die ursprünglich getroffenen Verfügungen nicht grundlegend ändern.

Fazit

Die Auslegung gemeinschaftlicher Testamente ist eine komplexe Aufgabe, bei der viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Entscheidend ist stets der wirkliche Wille der Erblasser, der im Rahmen der objektiven und subjektiven Auslegung ermittelt werden muss. Da die rechtlichen Folgen weitreichend sein können, ist es ratsam, sich bei der Errichtung und Auslegung gemeinschaftlicher Testamente von einem erfahrenen Anwalt beraten zu lassen.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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