Vater und Mutter haben ein sogenanntes Berliner Testament errichtet. Darunter versteht man ein Testament von Ehegatten, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzen und für den Tod des zweiten von ihnen ihre Kinder. Wie wirkt sich dies aus? Das sehen wir uns in folgendem Beispiel an.
Der Vater verstirbt. Er hinterlässt ein Vermögen von 200.000 Euro.
Die Mutter wird, dem Testament entsprechend, Alleinerbin. Sie ist dement, steht unter Betreuung und lebt in einem Pflegeheim, ist aber körperlich bei guter Gesundheit.
Die Kinder Lisa und Anton befürchten, dass das gesamte Vermögen für die Pflegekosten verbraucht wird. Nach dem Berliner Testament erben sie erst, wenn auch die Mutter verstorben ist. Sie befürchten, dass dann nichts mehr übrig sein wird.
Da Lisa und Anton aufgrund des Testaments nicht Erben geworden sind, obwohl sie es bei gesetzlicher Erbfolge geworden wären, können sie Pflichtteilsansprüche geltend machen. Als Kinder gehören sie zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten.
Ihre Pflichtteilsquote beträgt je 1/8. Pflichtteilsquote ist die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Nach gesetzlicher Erbfolge – hätten die Eltern kein Testament errichtet – wäre der Vater von der Mutter zu 1/2 Anteil und von Lisa und Anton zu je 1/4 Anteil beerbt worden. Die Hälfte der gesetzlichen Erbquote von 1/4 beträgt 1/8.
Lisa und Anton können ihren Pflichtteil beanspruchen. Ihnen steht je 1/8 des Nachlasses des Vaters zu. Sie erhalten also je 25.000 Euro aus dem Nachlass von 200.000 Euro.
Achtung: Pflichtteilsstrafklausel
Oft nehmen Eltern in ein Berliner Testament eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel auf. Es handelt sich um eine Regelung, wonach ein Kind, das nach dem ersten verstorbenen Elternteil den Pflichtteil geltend macht, für den zweiten Erbgang enterbt wird.
Enthält das Testament der Eltern eine solche Klausel, müssen Lisa und Anton davon ausgehen, nach dem Tod der Mutter ebenfalls nur den Pflichtteil geltend machen zu können.
Die Pflichtteilsquote beträgt dann voraussichtlich 1/4, nicht 1/8. Das liegt daran, dass nach dem Tod der Mutter kein Ehegatte als Erbe vorhanden ist und die Kinder deshalb nach gesetzlicher Erbquote zu je 1/2 Anteil erben würden. Die Hälfte von 1/2 ist 1/4.
Lisa und Anton entscheiden sich trotz Pflichtteilsstrafklausel dafür, den Pflichtteil nach dem Vater geltend zu machen. Sie rechnen ohnehin nicht damit, dass nach der Mutter noch Vermögen übrig bleibt. „Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“, sagt Lisa.