Erbunwürdigkeit: Wann liegt sie vor?

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 12. Oktober 2024 von Tobias Goldkamp

Die Erbunwürdigkeit ist eine besondere Regelung im Erbrecht, die es ermöglicht, einen Erben vom Erbe auszuschließen, wenn dieser bestimmte schwerwiegende Verfehlungen gegenüber dem Erblasser begangen hat. Die Erbunwürdigkeit ist in § 2339 BGB geregelt und ergänzt andere Maßnahmen, wie die Enterbung (§ 1938 BGB), die Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 ff. BGB) und die Anfechtung letztwilliger Verfügungen (§§ 2078 ff. BGB).

1. Wann liegt Erbunwürdigkeit vor?

Die Erbunwürdigkeit greift in den folgenden Fällen:

  • Tötung oder versuchte Tötung des Erblassers (§ 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB): Erbunwürdig ist, wer den Erblasser vorsätzlich tötet oder dies versucht, es sei denn, er tritt strafbefreiend vom Versuch zurück. Wichtig ist, dass die Tat widerrechtlich und schuldhaft begangen wird.
  • Herbeiführung der Testierunfähigkeit (§ 2339 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 BGB): Wenn jemand vorsätzlich die Testierunfähigkeit des Erblassers herbeiführt, z.B. durch Vergiftung oder schwere Körperverletzung, wird er ebenfalls erbunwürdig.
  • Verhinderung der Errichtung oder Aufhebung eines Testaments (§ 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB): Wer durch physische Gewalt, Täuschung oder Drohung verhindert, dass der Erblasser ein Testament errichtet oder aufhebt, kann als erbunwürdig erklärt werden. Auch hier gilt, dass der Versuch nicht ausreicht, die Verhinderung muss bis zum Erbfall andauern.
  • Bestimmung des Erblassers zur Verfügung von Todes wegen durch Täuschung oder Drohung (§ 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB): Wenn ein Erbe den Erblasser durch Täuschung oder Drohung zur Errichtung oder Aufhebung eines Testaments bestimmt, liegt ebenfalls Erbunwürdigkeit vor.
  • Urkundsdelikte (§ 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB): Fälschungen oder Manipulationen von Testamenten oder anderen Urkunden, die den Erblasser betreffen, führen ebenfalls zur Erbunwürdigkeit.

2. Rechtsfolgen der Erbunwürdigkeit

Erbunwürdigkeit führt dazu, dass die betroffene Person im Nachhinein so behandelt wird, als wäre sie nie Erbe gewesen. Dies gilt auch für Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte. Anstelle des Erbunwürdigen treten die gesetzlichen Erben oder Ersatzerben, und der Erbunwürdige verliert rückwirkend seine Erbschaft.

Eine Besonderheit besteht darin, dass die Erbunwürdigkeit nicht automatisch eintritt. Sie muss durch eine Anfechtungsklage geltend gemacht werden. Diese kann von jedem, dem der Wegfall des Erben zugutekommt, erhoben werden (§ 2341 BGB). Das Urteil stellt die Erbunwürdigkeit fest und wirkt rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Erbfalls.

3. Fristen und Verzeihung

Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Jahres erhoben werden, nachdem der Anfechtungsberechtigte von der Erbunwürdigkeit Kenntnis erlangt hat (§ 2339 Abs. 3 BGB). Die Frist beginnt spätestens mit der Kenntnis des Erbfalls.

Eine weitere wichtige Regelung ist die Verzeihung. Wenn der Erblasser dem Erben verziehen hat, kann dieser nicht mehr wegen Erbunwürdigkeit ausgeschlossen werden (§ 2343 BGB). Der Erblasser muss den Unrechtsgehalt der Tat erkannt haben, die Verzeihung kann auch stillschweigend erfolgen.

Fazit

Die Erbunwürdigkeit ist ein rechtliches Mittel, um einen Erben, der sich durch schwerwiegende Verfehlungen gegenüber dem Erblasser disqualifiziert hat, vom Nachlass auszuschließen. Sie wird nicht automatisch wirksam, sondern muss durch Anfechtung geltend gemacht werden. Die Gründe für die Erbunwürdigkeit sind im Gesetz klar festgelegt und betreffen in erster Linie Verbrechen oder schwerwiegende Verfehlungen gegen den Erblasser.

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

Themen

Nach oben scrollen