Haftungsbeschränkung für Erben: So schützen Sie Ihr Privatvermögen

Tobias Goldkamp
Veröffentlicht am 11. Februar 2025 von Tobias Goldkamp

Erben übernehmen nicht nur das Vermögen des Erblassers, sondern auch dessen Verbindlichkeiten. Ohne eine rechtzeitige Haftungsbeschränkung haften sie mit ihrem gesamten privaten Vermögen für Nachlassschulden. Doch das Erbrecht sieht verschiedene Möglichkeiten vor, diese Haftung zu begrenzen.

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1. Die Grundregel: Unbeschränkte Erbenhaftung

Mit dem Erbfall gehen alle Vermögenswerte und Schulden des Erblassers auf die Erben über (§ 1922 BGB). Die Erben haften grundsätzlich unbeschränkt für:

  • Erblasserschulden (bestehende Schulden des Erblassers, z. B. Kredite, Steuerverbindlichkeiten)
  • Erbfallschulden (durch den Erbfall entstandene Verbindlichkeiten, z. B. Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse, Beerdigungskosten)
  • Nachlasserbenschulden (Verbindlichkeiten, die erst durch das Handeln des Erben entstehen)

Diese Haftung umfasst nicht nur das geerbte Vermögen, sondern auch das persönliche Vermögen des Erben, sofern keine Maßnahmen zur Haftungsbeschränkung getroffen werden.

2. Erbausschlagung – der einfachste Weg zur Haftungsvermeidung

Die Erbausschlagung ist die sicherste Möglichkeit, um nicht für Nachlassverbindlichkeiten zu haften. Sie muss jedoch innerhalb einer bestimmten Frist und in einer bestimmten Form erklärt werden.

Form: Die Ausschlagung kann erfolgen:
Schriftlich mit notariell beglaubigter Unterschrift, die an das zuständige Nachlassgericht geschickt werden muss.
Zu Protokoll des Nachlassgerichts, indem die Ausschlagung dort persönlich erklärt wird.

Frist: Die Ausschlagung muss innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, an dem der Erbe von der Erbschaft erfährt.

📌 Besondere Fristen:
Sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder der Erbe sich bei Fristbeginn im Ausland befand.
⏳ Wenn der Erbe erst durch die Ausschlagung eines anderen zum Erben wird, beginnt die Frist mit dessen Ausschlagung.

Die Frist beginnt bei einem gesetzlichen Erben mit der Kenntnis des Erbfalls, bei einem testamentarischen Erben erst mit der amtlichen Testamentseröffnung.

Zuständiges Gericht: Zuständig für die Entgegennahme der Ausschlagung sind das zuständige Nachlassgericht oder das Amtsgericht, in dessen Bezirk die ausschlagende Person ihren Wohnsitz hat. Am sichersten ist, die Ausschlagung beim Amtsgericht des eigenen Wohnorts zu erklären.

Die Ausschlagung ist nur möglich, solange die Erbschaft nicht bereits angenommen wurde. Eine Annahme kann auch stillschweigend erfolgen, z. B. durch Beantragung eines Erbscheins oder Verfügungen über den Nachlass.

Die Ausschlagung kann nicht unter einer Bedingung erklärt werden (z. B. „nur, wenn mein Bruder erbt“).

3. Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung

Erben können ihre Haftung auf den Nachlass begrenzen. Dafür gibt es mehrere rechtliche Instrumente:

a) Nachlassverwaltung (§ 1981 BGB)

Falls unklar ist, ob der Nachlass überschuldet ist, kann eine Nachlassverwaltung beantragt werden.

✅ Das Gericht setzt einen Nachlassverwalter ein.
✅ Gläubiger können nur auf den Nachlass zugreifen, nicht auf das Privatvermögen des Erben.
✅ Die Verwaltung verhindert die persönliche Haftung des Erben.

Nachteil: Die Kosten der Nachlassverwaltung gehen zulasten des Nachlasses, was die verbleibende Erbmasse verringern kann.

b) Nachlassinsolvenz (§ 1975 BGB)

Ist der Nachlass zahlungsunfähig oder überschuldet, kann der Erbe eine Nachlassinsolvenz beantragen.

✅ Durch das Insolvenzverfahren haftet der Erbe nur mit dem Nachlass.
✅ Gläubiger müssen sich am Insolvenzverfahren beteiligen und können den Erben nicht privat in Anspruch nehmen.

Pflicht: Der Erbe muss die Nachlassinsolvenz beantragen, wenn er die Überschuldung erkennt. Andernfalls haftet er trotzdem persönlich für alle Nachlassverbindlichkeiten.

c) Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB)

Falls der Nachlass so gering ist, dass nicht einmal die Kosten einer Nachlassverwaltung oder Insolvenz gedeckt sind, kann der Erbe die Dürftigkeitseinrede erheben.

✅ Gläubiger können nur auf den vorhandenen Nachlass zugreifen.
✅ Der Erbe haftet nicht mit seinem Privatvermögen.

📌 Wichtig: Der Erbe muss nachweisen, dass der Nachlass nicht einmal ausreicht, um die Verfahrenskosten zu tragen.

d) Aufgebotsverfahren (§§ 1970 ff. BGB)

Der Erbe kann beim Nachlassgericht ein Aufgebotsverfahren beantragen. Dadurch werden Nachlassgläubiger aufgefordert, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist anzumelden.

✅ Nach Ablauf der Frist sind nicht angemeldete Forderungen ausgeschlossen.
✅ Der Erbe kann sich auf eine Haftungsbegrenzung auf den Nachlass berufen.

Nachteil: Das Verfahren schützt nicht vor bekannten Gläubigern, die ihre Forderungen rechtzeitig anmelden.

e) Beschränkung der Haftung im Prozess (§ 780 ZPO)

Falls der Erbe verklagt wird, kann er beantragen, dass die Haftung auf den Nachlass beschränkt wird.

✅ Das Gericht nimmt in das Urteil den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung auf.
✅ Dadurch kann der Gläubiger nur in den Nachlass vollstrecken, nicht in das Privatvermögen des Erben.

📌 Wichtig: Der Vorbehalt muss im Prozess ausdrücklich beantragt werden – sonst haftet der Erbe persönlich.

4. Verlust der Haftungsbeschränkung

Der Schutz durch die Haftungsbeschränkung kann verloren gehen, wenn der Erbe:

❌ Die Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz nicht rechtzeitig beantragt.
❌ Ein Inventar nicht fristgerecht erstellt oder falsche Angaben macht.
❌ Sich im Prozess nicht auf den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung beruft.
❌ Den Nachlass vor der vollständigen Begleichung der Schulden verteilt.

In diesen Fällen haftet der Erbe mit seinem gesamten Privatvermögen für alle Nachlassverbindlichkeiten.

5. Haftung mehrerer Miterben

In einer Erbengemeinschaft haften die Miterben grundsätzlich gemeinsam für Nachlassverbindlichkeiten. Jeder Miterbe kann jedoch verlangen, dass die Haftung auf seinen eigenen Erbteil beschränkt wird.

📌 Besonderheit:
Die Haftung endet mit der Teilung des Nachlasses. Danach haftet jeder Miterbe nur noch mit seinem eigenen Anteil.

6. Besondere Regelungen für Unternehmen im Nachlass

Falls der Erblasser ein Unternehmen hinterlässt, gelten besondere Haftungsregelungen:

  • Einzelunternehmen: Der Erbe tritt in die Stellung des Erblassers ein und haftet für alle Schulden des Unternehmens.
  • OHG/KG: Falls der Erbe Gesellschafter wird, haftet er für alle bestehenden Verbindlichkeiten. Er kann aber innerhalb von drei Monaten verlangen, nur Kommanditist mit begrenzter Haftung zu werden (§ 139 HGB).
  • Firmenfortführung: Falls der Erbe den Betrieb unter der alten Firma weiterführt, haftet er für alle bisherigen Schulden des Unternehmens (§ 25 HGB).

📌 Tipp: In solchen Fällen sollten Erben frühzeitig eine rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um Haftungsrisiken zu minimieren.

Fazit: Rechtzeitig handeln schützt das Privatvermögen

Wer eine Erbschaft annimmt, übernimmt auch die Schulden des Erblassers. Ohne eine rechtzeitige Haftungsbeschränkung können Nachlassgläubiger auf das gesamte Vermögen des Erben zugreifen.

✅ Mit Nachlassverwaltung, Insolvenz oder Aufgebotsverfahren kann die Haftung auf den Nachlass begrenzt werden.
✅ Der Erbe muss aktiv werden, um sein Privatvermögen zu schützen.
✅ In Gerichtsverfahren sollte stets der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung beantragt werden.

Unsere Kanzlei berät Sie umfassend zu allen Fragen der Erbenhaftung und Haftungsbeschränkung. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung!

Tobias Goldkamp

Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131/718190

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