Die Ausgleichung von Zuwendungen ist ein wichtiger Aspekt im Erbrecht, der insbesondere bei der Berechnung des Pflichtteils relevant wird. Dieser Artikel erläutert, was unter Ausgleichung zu verstehen ist, welche Zuwendungen ausgleichungspflichtig sind und wie sich dies auf die Pflichtteilsberechnung auswirkt.
Was bedeutet Ausgleichung?
Die Ausgleichung im Erbrecht bezieht sich auf den Ausgleich von Vorteilen, die ein Abkömmling zu Lebzeiten des Erblassers erhalten hat. Dies kann beispielsweise eine vorgezogene Erbfolge oder eine besondere Zuwendung sein. Das Ziel der Ausgleichung ist es, die Erbquoten der Abkömmlinge bei der gesetzlichen Erbfolge zu korrigieren, um eine Gleichstellung aller Erben zu erreichen.
Ausgleichung und Pflichtteil
Die Ausgleichung wirkt sich auch auf den Pflichtteil aus, insbesondere wenn der Pflichtteilsberechtigte selbst eine Zuwendung erhalten hat, die ausgleichungspflichtig ist. Nach § 2316 BGB wird bei der Berechnung des Pflichtteils die Ausgleichung so berücksichtigt, dass der Pflichtteil nach demjenigen Wert bestimmt wird, der dem gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflichten entspricht.
Voraussetzungen für die Ausgleichung
Damit eine Zuwendung ausgleichungspflichtig wird, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Ausgleichung unter Abkömmlingen: Die Ausgleichung findet nur unter Abkömmlingen des Erblassers statt, also unter Kindern, Enkeln und weiteren direkten Nachkommen.
- Ausgleichungspflichtige Zuwendung durch den Erblasser: Die Zuwendung muss vom Erblasser herrühren. Beispiele sind Ausstattungen, übermäßige Zuschüsse zum Unterhalt oder zur Berufsausbildung oder sonstige Zuwendungen, bei denen der Erblasser die Ausgleichung bei der Zuwendung angeordnet hat. Wichtig: Nicht jede Zuwendung ist ausgleichungspflichtig.
- Gleichheitsprinzip: Das Ziel der Ausgleichung ist es, die Erbteile der Abkömmlinge auszugleichen, sodass alle berechtigten Erben wirtschaftlich gleichgestellt werden.
Berechnung des Pflichtteils unter Berücksichtigung der Ausgleichung
Die Berechnung des Pflichtteils unter Berücksichtigung der Ausgleichung erfolgt in mehreren Schritten:
- Ermittlung des Ausgleichungserbteils: Der Pflichtteil wird auf Basis eines fiktiven Ausgleichungserbteils berechnet, der sich ergibt, wenn alle ausgleichungspflichtigen Zuwendungen dem Nachlass hinzugerechnet werden. Dabei wird so gerechnet, als ob der zugewendete Gegenstand mit dem damaligen Geldwert noch im Nachlass vorhanden wäre.
- Anrechnung auf den Pflichtteil: Wenn eine Zuwendung sowohl ausgleichungs- als auch anrechnungspflichtig ist, wird zunächst das Ausgleichungsverfahren durchgeführt. Anschließend wird die Zuwendung in ihrer halben Höhe vom errechneten Pflichtteil abgezogen.
Beispiel für die Ausgleichung
Nehmen wir an, ein Erblasser hat seinen Großhandelsbetrieb im Wert von 400.000 Euro (kaufkraftbereinigt) mehr als zwanzig Jahre vor seinem Tod an seinen Sohn im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich, aber ausgleichungspflichtig übertragen. Später setzt er seine Tochter testamentarisch zur Alleinerbin ein. Der Sohn macht nach dem Tod des Erblassers Pflichtteilsansprüche geltend. Der Nachlasswert beträgt 800.000 Euro.
- Ausgleichung nach § 2316 BGB: Der Wert der Zuwendung wird vom Erbteil abgezogen und der Pflichtteil danach berechnet (1.200.000 Euro / 2 = 600.000 Euro – 400.000 Euro = 200.000 Euro / 2 = 100.000 Euro). Hier hätte der Sohn noch einen Pflichtteilsanspruch von 100.000 Euro.
- Hätte der Vater angeordnet, dass sich der Sohn die Zuwendung auf den Pflichtteil anrechnen lassen muss (§ 2315 BGB), bekäme der Sohn nichts mehr: Der Pflichtteil wird unter Einbeziehung der Zuwendung berechnet (1.200.000 Euro / 4 = 300.000 Euro). Davon wird der Wert der Zuwendung abgezogen, sodass dem Sohn kein weiterer Pflichtteil mehr zusteht.
Fazit
Die Ausgleichung von Zuwendungen kann den Pflichtteilsanspruch erheblich beeinflussen. Es ist daher wichtig, die Voraussetzungen und den Berechnungsvorgang genau zu verstehen, um sicherzustellen, dass die Berechnung korrekt erfolgt. Eine sorgfältige Prüfung des Erblasserwillens und der relevanten Umstände ist unerlässlich, um zu bestimmen, ob und wie Zuwendungen auf den Pflichtteil angerechnet werden müssen.
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