Welche Auskünfte stehen dem Pflichtteilsberechtigten zu?

Tobias Goldkamp

Veröffentlicht am 9. August 2016 von Tobias Goldkamp

Themen: Erbrechtliche Ansprüche

Erben sind verpflichtet, denjenigen, die bei gesetzlicher Erbfolge Erben geworden wären, es jedoch aufgrund anderslautender letztwilliger Verfügung nicht geworden sind, Auskünfte über Erblasser, Nachlassbestand, Nachlasswert und Schenkungen zu erteilen.

Der Erbe hat auf Aufforderung durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses Auskunft über den Bestand des zum Zeitpunkt des Todes – Stichtag Todestag – zu erteilen (§§ 2314, 260 BGB).

Das Verzeichnis muss das gesamte Nachlassvermögen und alle Nachlassverbindlichkeiten auflisten. Zum Nachlassvermögen gehören sämtliche bei dem Erbfall vorhandenen Immobilien, Sachen, Gesellschaftsbeteiligungen und Forderungen, auch Teileigentum. Unter das Nachlassvermögen fallen z.B. Grundstücke, Unternehmen und Erwerbsgeschäfte, Konten, Bankschließfächer, Bargeldbeträge, Wertpapiere, Kunstgegenstände, Antiquitäten, Schmuck, Forderungen aus Darlehen-, Miet-, Pacht- und Kaufverträgen, Hypotheken-, Grund- und Rentenschuld-, Bürgschaftsforderungen, Bausparversicherungen, Steuererstattungsansprüche, Fahrzeuge, Boote, Wohnwagen, Anteil an einer anderen Erbengemeinschaft, Verlags-, Patent- und Urheberrechte, Maschinen.

Hierzu zählen bestehende Forderungen auch, wenn sie noch nicht erfüllt sind oder erst nach dem Tod erfüllt wurden, z.B. Zahlungen, die nach dem Tod eingegangen sind. Auch ausländisches Vermögen ist zu benennen, z.B. ausländische Konten oder Immobilien.

Die einzelnen Positionen müssen mit Wertangaben versehen und so bezeichnet und beschrieben sein, dass der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt wird, den Wert selbst einzuschätzen. Soweit die Vermögensposition oder Verbindlichkeit mehreren zusteht, ist der Anteil des Erblassers anzugeben.

Der Erbe hat auf Aufforderung mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wem der Erblasser Vollmacht erteilt hat, über sein Vermögen, insbesondere über seine Bankkonten, zu verfügen und ob in diesem Zusammenhang Forderungen des Nachlasses gegen Bevollmächtigte bestehen.

Der Erbe hat auf Aufforderung alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dem Todestag anzugeben (§ 2325 BGB), also insbesondere Schenkungen, auch gemischte Schenkungen bzw. durch vorweggenommene Erbfolge erfolgte Zuwendungen, Erlass von Forderungen (§ 397 BGB).

Anzugeben sind auch Zuwendungen, die erst nach dem Tod des Erblassers vollzogen werden, z.B. Lebensversicherungen, Sterbegeldversicherungen, Sparbücher auf fremden Namen und sonstige Verträge zu Gunsten Dritter.

Zuwendungen sind unabhängig von einer Frist – also auch früher als zehn Jahre vor dem Todestag – anzugeben, wenn der Erblasser sich Nutzungsrechte wie beispielsweise einen Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht vorbehalten hat, den Gegenstand tatsächlich nutzte, Widerrufs- oder Rückübertragungsrechte vereinbart hat oder diese Zuwendungen an seine Ehegattin gewährt hat.

Ebenfalls sind unabhängig von einer Frist sämtliche gemäß §§ 2050 ff. BGB ausgleichungspflichtigen Zuwendungen mitzuteilen, also Ausstattungen, Zuschüsse zur Verwendung als Einkünfte und zur Ausbildung, Zuwendungen unter Anordnung der Ausgleichung auf den Erbfall.

Zu jeder Zuwendung zu anzugeben sind jeweils das Datum des Zuwendungsvollzugs (Eigentumsübergang), der Zuwendungsempfänger, der Zuwendungsgegenstand, der Wert der Zuwendung und alle wertbildenden Faktoren sowie etwaige wertbeeinflussenden Vereinbarungen.

Darüber hat der Erbe auf Aufforderung mitzuteilen, ob der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes verheiratet war und in welchem Güterstand er gelebt hat. Zudem ist auf Aufforderung mitzuteilen, ob und welche weiteren Personen existieren, die gesetzlich erbberechtigt sind bzw. wären, insbesondere auch alle ehelichen und unehelichen, leiblichen und adoptierten Kinder, bei vorverstorbenen Kindern deren Kinder, und inwieweit Erbverzichte, Zuwendungsverzichte oder sonstige notarielle Verträge über Erbteil oder Pflichtteil vorliegen.

Sind dem Erben einzelne Informationen nicht selbst bekannt, so ist er verpflichtet, sich diese zu besorgen, z.B. bei den jeweiligen Kreditinstituten, den beschenkten Personen oder den entsprechenden Notaren.

Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen zu werden. Er kann auch die notarielle Aufnahme des Verzeichnisses auf Kosten des Nachlasses zu verlangen. Der Anspruch auf notarielles Nachlassverzeichnis kann noch geltend gemacht werden, wenn der Erbe schon selbst Auskünfte erteilt hat.

Sofern das Nachlassverzeichnis falsch oder unvollständig ist, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben verlangen, dass der Erbe an Eides Statt versichert, seine Angaben nach bestem Wissen gemacht zu haben (§ 260 BGB).

Die Auskunftsansprüche sind mit dem Erbfall sofort fällig (§ 271 BGB). Allerdings ist dem Erben ab Geltendmachung eine angemessene Frist zuzugestehen, die Auskünfte zusammen zu stellen und zu erteilen.

Tobias Goldkamp

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
Tel. 02131-718190

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